Infotext:
András Hamary ist ein Ausnahmekomponist. Und dies nicht nur deshalb, weil er trotz seiner früheren, mit Preisen bedachten, erfolgreichen Tätigkeit als Pianist dem Komponieren treu geblieben ist, sondern auch, weil es ihm gelingt, sich dem noch immer existierenden adornitischen »Kanon des Verbotenen« der Neuen Musik zu verweigern. Er folgt hierbei seinem Landsmann György Ligeti, welcher in seinen späteren Werken ab dem skandalisierten Trio für Violine, Horn und Klavier von 1982 sich vermeintlich nur rückwärtsgewandt mit dem Parameter Harmonik befasst hat. Dabei war dieser Blick zurück für ihn ein nur anderer Blick nach vorn, und darin ist ihm András Hamary gefolgt.
Vermeintlich vergangene oder gar tote Formen, Symbole und Chiffren versucht Hamary wiederzubeleben, auf der Suche nach einer Sprache, in der die europäische Musikgeschichte mit Fokus auf das Prélude im besten Sinne des Wortes aufgehoben ist. Das Vorspiel wird so nachgespielt.
András Hamary und Markus Bellheim lernten sich während ihrer Lehrtätigkeit in Würzburg kennen und schätzen. »Markus Bellheim freundschaftlich zugeeignet« steht in der Widmung der 24 Préludes von Hamary. Neben menschlicher Sympathie gründet diese Freundschaft auf gemeinsamen Interessen wie z. B. der Liebe zur modernen und zeitgenössischen Kunst und Musik und dem großen Interesse an der musikalischen Welt Frankreichs, vor allem an der Musik von Debussy und Messiaen.
Nach seiner Emeritierung übersiedelte Hamary von Würzburg nach Berlin, und in der Einsamkeit der durch Corona erschwerten Jahre schrieb er seine 24 Préludes in der Tradition von Chopin, Skrjabin und Debussy, Bellheim wie auf den Leib geschneidert.
Bonus-DVD
»24 Video Animations«
Auf der Bonus-DVD präsentiert András Hamary eine Auswahl einer Reihe seiner Videoanimationen.
Bild und Musik sind ganz oder fast gleichzeitig entstanden. Die meisten Musikstücke sind computergeneriert (Sibelius Sounds), die Animationen wurden mit Corel Painter, Moho und Final Cut hergestellt.
Programm:
András Hamary (*1950)
24 Préludes für Klavier
Erstes Heft
[01] 1. Präambel 02:43
[02] 2. Stop and Go 01:20
[03] 3. Sad Echoes 02:55
[04] 4. Terramoto 04:06
[05] 5. Intermezzo 1 02:10
[06] 6. Funeral 1 04:43
[07] 7. Ringató 03:29
[08] 8. Intermezzo 2 01:29
[09] 9. Funeral 2 04:02
[10] 10. Csillagszóró 02:32
[11] 11. Funeral 3 02:38
[12] 12. Mandolin 03:23
Zweites Heft
[13] 1. Csendes Korál 03:38
[14] 2. El milagro secreto 03:39
[15] 3. Schwarze Trompeten 02:38
[16] 4. Alla marcia 01:16
[17] 5. Inventio im Nebel – Hommage à Dimitrij Schostakowitsch 02:34
[18] 6. Der Trommler 02:54
[19] 7. Ritornello (Chopin) 02:33
[20] 8. Sarabande pathétique 04:08
[21] 9. Zengö skálák 01:46
[22] 10. Paganini met Gershwin on 5th Avenue 02:10
[23] 11. Ostinato arrabbiato 03:40
[24] 12. Farewell 03:43
total playing time: 70:21
Markus Bellheim, piano
Pressestimmen:
The New Listener
13.05.2023
Markus Bellheim zelebriert András Hamarys exzellenten Préludes-Zyklus
András Hamarys Zyklus von 24 Préludes für Klavier (2021/22) ist nun, gespielt vom Widmungsträger Markus Bellheim, in Koproduktion mit BR Klassik bei NEOS erschienen. Die Musik wie ihre Darbietung können nur als herausragend betrachtet werden.
[…] Mit 24 Klavierpréludes tritt man fast unweigerlich in die Fußstapfen einer Reihe historischer Vorbilder: Im Falle Hamarys sind dies vor allem Chopin, Skrjabin, Rachmaninoff, Debussy und Schostakowitsch (op. 34). Daneben spürt der Hörer Einflüsse diverser, nicht nur Klavierkomponisten, die keine Prélude-Zyklen geschrieben haben. In ihrer rhythmischen Komplexität oder Motorik weisen manche Abschnitte auf Hamarys Landsmann György Ligeti – insbesondere dessen Klavieretüden. Auch Schubert, Schumann, gar Mahler oder Nancarrow schimmern stellenweise durch. Nicht, dass der Komponist im gut 70-minütigen Werk aus 2 x 12 Stücken wörtlich daraus zitierte; jedoch gibt es zahlreiche Allusionen, die an konkrete musikalische Situationen bei jenen Kollegen anknüpfen, die hier natürlich nicht alle aufgezählt werden können und sollen. Klar ist, dass sich Hamary diesem nicht wegzudenkenden musikhistorischen Bewusstsein stellt, ohne Elemente simpel zu imitieren oder „einzubauen“. So wird aus dem vermeintlichen „Ballast“ eine Quelle für ganz eigene Inspiration. Literatur bildet bei zumindest zwei Préludes den Ausgangspunkt: Attila Jószefs Gedicht Ringató für das „Wiegenlied“ (1. Heft, Nr. 7) und die Erzählung El milagro segreto des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (2. Heft, Nr. 2). […]
Markus Bellheim spielt diese Tour de Force absolut kongenial. Der ihm quasi auf den Leib geschriebene, enorm anspruchsvolle Klaviersatz wirkt unter seinen Händen – und Füßen! – trotzdem nie angestrengt. Bellheims Konzentration und hochdifferenzierte Anschlagskunst, wie man sie ja längst von seinen Messiaen-Aufführungen kennt, kommt bei jedem der 24 Stücke voll zur Geltung. Die rasanten Nummern (etwa Nr. 10 Csillagszóró [„Wunderkerzen“] oder die zunächst an Ligeti erinnernde, später hemmungslos tonale Nr. 12 Mandolin), aber genauso die perfekt dargebotenen, oft wie eine Fata Morgana erscheinenden besagten Oberton-Kunststücke gelingen ihm staunenswert. Die unmittelbare Entfaltung der musikalischen Ideen hinter den Einzelstücken und das Erfassen des großen Ganzen – oft fordert Hamary Attacca-Übergänge zwischen zwei Préludes – gehen stets Hand in Hand und erhalten den Spannungsbogen unentwegt aufrecht: Empathie, die sich sofort auf den Hörer überträgt. […]
Martin Blaumeiser