Claus-Steffen Mahnkopf: Vocal Music II

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Artikelnummer: NEOS 12110 Kategorie:
Veröffentlicht am: April 29, 2022

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VOKALMUSIK II

Als im März 2011 meine Frau, die jüdische Religionsphilosophin Francesca Yardenit Albertini, starb, konnte ich nichts anders, als die Erinnerung an sie wachzuhalten, indem ich zum einen ein Buch über sie schrieb (Deutschland oder Jerusalem. Das kurze Leben der Francesca Albertini, 2013), zum anderen beschloss, ein Erinnerungswerk zu komponieren. Aber kein Requiem, sondern ein Porträt. Francesca betätigte sich in jungen Jahren als Schriftstellerin und wurde sogar ins italienische Fernsehen eingeladen. Diese Episode währte kurz, aber ich fand in ihrem Nachlass zahlreiche Jugendgedichte, die sie zwischen 17 und 20 Jahren schrieb. Aus diesen wählte ich zehn aus. Sie kreisen um die Themen Wahrheit, Tod, Schmerz, Vergessenwerden, Michelangelo, Morgendämmerung, Entwurzelung, Briefe, Denken, Qual und Schatten. Diese werden in fünf Großstrophen gesungen, vom Orchester begleitet. Zugleich erhält fast jedes Instrument ein Solo, das im Tempo unabhängig vom Orchester spielt. Auch sind einige Zwischenspiele eingeschoben, die eine Narration ergeben, die unserem gemeinsamen 13-jährigen Lebensweg folgt.

Das zentrale Gedicht lautet:

Dove sono i morti?
Dentro di noi.
Un cadavere resuscita
ad ogni pensiero.

Wo sind die Toten?
Drinnen in uns.
Ein Leichnam steht auf von den Toten
bei jedem Gedanken.

Auch noch viele Jahre nach ihrem Tod ist dieser emotional nicht zu akzeptieren. Man gewöhnt sich an den Tatbetand, aber letztlich ist der Tod einer geliebten Person unausdenklich und stellt eine unauflösliche Paradoxie der eigenen Existenz dar, vor allem wenn sie 36-jährig durch einen Unfall jäh aus dem Leben gerissen wurde. Im Februar 2018 hielt Menachem Ben-Sasson, der Kanzler der Jüdischen Universität Jerusalem, die Francesca Yardenit Albertini-Lecture an der FU Berlin. An Francescas Lächeln, so Ben-Sasson, werde sich in Jerusalem heute noch, 16 Jahre nach ihrem zweijährigen Forschungsaufenthalt, erinnert. Dieses Lächeln versuche ich mit diesem Werk einzufangen. »Dov’è?« heißt auf deutsch: »Wo ist er / sie / es?«

432 Park Avenue. Hommage à NYC – Mich fasziniert New York City, vor allem, weil es ganz anders ist als der Rest der USA. NYC ist wie ein eigener Staat, eine eigene Welt. Im September 2015 lief ich durch den Central Park und entdeckte zwischen den Bäumen hervorlugend ein sehr hohes und extrem schmales Gebäude, das wie ein einzelner Spaghetto ist den Himmel ragt. 426 Meter misst dieses Gebäude, das nur zum Wohnen gebaut wurde. In klassischer Schönheit und Eleganz ragt es empor. Zugleich ist es Ausdruck kapitalistischer Dekadenz. Die Preise sind so exorbitant hoch, dass nur sehr Reiche sich dort einkaufen können. Der Investor wirbt mit Ruhe, da die Bewohner meist abwesend sein dürften. Ich verwende für den Sänger Texte aus dem Webauftritt dieses Gebäudes. Zugleich spielt der Bariton einen MIDI-Syntheziser, auf dem Originalklänge der Stadt New York gespeichert sind. Zusammen mit der Klanglichkeit der drei Bläser entsteht so ein Porträt New Yorks.

Hätte ich ein zweites Leben, ich studierte Mathematik und Physik, um zu begreifen, wie die Welt aufgebaut ist und vor allem woher sie kommt, ja warum es sie überhaupt gibt. Diese Fragen sind zugleich philosophische Fragen. Für das fünfsätzige Werk Astronomica habe ich Texte aus Lehrbüchern der Astronomie entnommen und umformuliert. In jedem der ersten vier Sätze steht ein Duo aus einer Sängerin bzw. einem Sänger und einem Instrument (Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Violoncello) im Vordergrund, gleichsam rezitativisch begleitet von den übrigen. Der letzte und längste Satz wird von allen acht Musikern bestritten. Die (in der Regel gesprochenen) Texte haben diese thematischen Kerne: Hintergrundrauschen; schwarzes Loch; Wurmloch; Ekpyrosis; Inflation.

Claus-Steffen Mahnkopf

Programm:

[01] Dov’è? für 5 Stimmen und Orchester (2017–2018) 32:01

Neue Vocalsolisten
(Johanna Zimmer, Susanne Leitz-Lorey, Truike van der Poel, Martin Nagy, Andreas Fischer)
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)
Michael Wendeberg
 Dirigent

Live

[02] 432 Park Avenue. Hommage à NYC für Bariton und 3 Instrumentalisten(2018) 14:12

loadbang (New York City)

Live


Astronomica für 4 Stimmen und 4 Instrumentalisten (2019) 20:42

[03] I 04:09
[04] II 03:35
[05] III 03:37
[06] IV 03:38
[07] V 05:43

SCHOLA HEIDELBERG / ensemble aisthesis (KlangForum Heidelberg)
Walter Nußbaum Dirigent

Gesamtspielzeit: 67:21

Ersteinspielungen

Pressestimme:

07/22

Klang – von innen heraus beleuchtet
Neuerscheinungen Neuer Musik relativieren alte Vorurteile jenseits der Stilschublade

Claus-Steffen Mahnkopf eilt der Ruf voraus, ein äußerst intellektueller Komponist zu sein. Aber die Intensität seiner Kompositionen verdankt sich nicht allein struktureller Kompetenz und vielfachen Anregungen zwischen Philosophie, Literatur und Naturwissenschaft. […]

Dirk Wieschollek

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