Clemens von Reusner: electroacoustic works

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Artikelnummer: NEOS 11803 Kategorie:
Veröffentlicht am: August 3, 2018

Infotext:

CLEMENS VON REUSNER · ELEKTROAKUSTISCHE WERKE

Clemens von Reusner schafft akusmatische Welten, in denen natürliche und synthetische Objekte nebeneinander und miteinander existieren, in Klanggestalten und Bewegungen. Er arbeitet mit Klängen, die er seziert, zusammenfügt, in Räume setzt, aus denen sie fliehen oder in denen sie wachsen, und gibt dem Ohr den Blick frei.

Der Mensch macht sich Bilder von Aggregatzuständen, Wandlungen, Bewegungen, er erlebt, dass Dinge schnell oder langsam sind, aufprallen, dabei in tausend Stücke zerspringen. Analogien zu Lebenssituationen scheinen auf: das Bemühen um etwas, Scheitern, Erfolg. Bewegungen als Bremsung, Beschleunigung, Verharren. Keine Regung bleibt ohne Konsequenzen. Hier begegnet man Organismen, ihrem Werden und Vergehen in der Zeit. Organisch entwickeln sich Klänge aus einem Ausgangsklang, erscheinen in Ableitungen, Abwandlungen und Verwandtschaftsverhältnissen und führen so in spannungsreichen Bewegungen zwischen gestischer und texturhafter Struktur auf den Nukleus der Komposition zurück.

In den Kompositionen Clemens von Reusners ist deshalb das Ende von etwas auch immer der Anfang von etwas Neuem. Der Aufprall erzeugt neue Gegenstände. Die wachsen, verfärben sich, gehen auf Wanderschaft, vereinigen sich. Die Vereinigung von Objekten lässt die Anzahl der Objekte wieder kleiner werden. Die Ursprungsobjekte verschwinden, das Neuentstandene entwickelt autonome Kräfte. Selbst die Iteration, oft Schreckgespenst der elektroakustischen Musik, verwandelt sich in etwas Lebendiges.

Die Verortung der Klänge findet nicht nur im Raum, sondern auch im Klangspektrum statt, so wird es möglich, die gleichzeitige Existenz der musikalischen Gestalten mit ihren Wandlungen und Bewegungen wahrzunehmen, ihre Kontraste, ihre Synergien.

Clemens von Reusner arbeitet mit unterschiedlichen Programmen, die ein freies Schaffen im Reich der Klänge möglich machen, wobei Samples, Synthese und Resynthese einander zuarbeiten, sich gegenseitig weiterentwickeln, beschleunigen und bremsen, und dies stets mit großer Entschlossenheit.

So erschließt sich das Material selbst in einer klaren Musiksprache mit deutlicher Phrasenstruktur, die große Bögen ermöglicht. Neben allen neuen Ideen sind traditionelle Modelle wie Exposition, Imitation oder Reprise hier nichts Fremdes. Echte Innovation fußt auch immer im Bestehenden.

Anamorphosis, Definierte Lastbedingung, KRIT und Topos Concrete sind genuin achtkanalige Produktionen. Der Blick auf den kompositorischen Sinn und die klangliche Transparenz bleibt in den Stereofassungen stets erhalten, auch wenn die durch das Ambisonic-Verfahren erreichte Räumlichkeit der Klangbewegungen sich vollständig erst in den 5-Kanal-Fassungen der SACD und besonders in den 8-kanaligen Konzertfassungen erschließt.

 

Michael Hoeldke

 

 

In Anamorphosis (2018) geht es um die Verarbeitung zweier kontrastierender Strukturen, die im ersten Teil der Komposition exponiert werden. Beide gründen auf einem kurzen Klang einer hölzernen Tür, der in seiner Originalgestalt im Werk jedoch nicht erscheint. Die strukturelle Beschaffenheit dieses Klanges, eine schnelle Folge kurzer, sich in der Zeit verändernder Repetitionen, führt zu den spektralen und zeitlichen Varianten dieser Strukturen, die im zweiten und dritten, stärker reprisenhaften Teil klanglich entwickelt werden. Anamorphosis ist dem Künstler Ernst von Hopffgarten zugeeignet.

HO (2008) wurde durch additive Klangsynthese mit der Audioprogrammiersprache »Csound« realisiert. Perkussive Klanginseln, räumliche Bewegung, moduliertes Rauschen. Nachklang in weitem Raum. Bewegte Fläche. Dekonstruktion der Klanginseln, Abwandlung, Verdichtung und Repetition. HO wurde beim Kompositionswettbewerb MUSICA NOVA 2009 der Gesellschaft für elektroakustische Musik der Tschechischen Republik in Prag ausgezeichnet und im Dezember 2009 dort uraufgeführt.

Definierte Lastbedingung (2016) arbeitet mit dem Klang elektromagnetischer Felder, wie sie beim Betrieb elektrischer Geräte entstehen. Dieses mit einem Spezialmikrofon aufgenommene Klangmaterial hat kaum etwas von dem, was sonst einem »musikalischen« Klang eigen ist. Es gibt weder räumliche Tiefe noch Dynamik. In ihrer Geräuschhaftigkeit sind die Klänge statisch, obschon im Inneren bewegt. Sie wirken meist sperrig, ja hermetisch wie das bekannte Netzbrummen. Mit den Mitteln des elektronischen Studios werden sie in ihrer Struktur untersucht und neu gestaltet. Eingeladen als deutscher Beitrag zu den Weltmusiktagen für Neue Musik, Vancouver, Kanada, 2017 und nominiert für den Prix Phonurgia, Frankreich, 2017.

Dry Friction (Trockene Reibung, 2012) gründet auf Klanggesten metallener Oberflächen. Enge Klangverwandtschaften entstehen durch spektrale Klangbearbeitungen und fortschreitende Veränderung im Sinne motivisch-thematischer Arbeit, die durch verschiedene Erscheinungsformen der Reibung führt. Uraufführung im Rahmen der International Computer Music Conference (ICMC) 2012, Ljubljana, Slowenien.

In der Sprache Sanskrit bedeutet KRIT (2018) »zerschneiden«, »zerspalten«, »den Faden drehen«, »spinnen«, aber auch »spielen« und »ausführend vollbringen«. Die Basis in KRIT ist ein chaotischer Grundklang, der in vielen Variationen zerschnitten und neu aufgebaut wird. Im Verlauf der Komposition werden sowohl ebenso chaotische wie gleichmäßige als auch punktuelle wie flächige Ausprägungen dieses Klanges entwickelt und in unterschiedlichen Dichtegraden und Verräumlichungen hörbar.

Sphären der Untätigkeit (2013) basiert auf einer vielfach subharmonisch gefilterten Klangentwicklung eines synthetischen frequenzmodulierten Klanges, deren spektrale Beschaffenheit auf Proportionen des Goldenen Schnitts gründet und die ihre ursprüngliche Gestalt erst am Ende des Werkes wiedererlangt. Die einzelnen Klanggestalten verbinden sich in einer langsamen Wellenbewegung. Im Kontrast dazu stehen in ihrem Zeitablauf und in ihrer klanglichen Beschaffenheit stark veränderte Impulse, die in unterschiedlichen akustischen Räumen erscheinen. Uraufführung im Rahmen des Elektro Arts Festivals 2013, Cluji, Rumänien.

Topos Concrete (2014): Das Gebiet (gr. topos) ist eine raue und unwirtliche Landschaft mit Bergen und Tälern, obwohl es von Ferne glatt und eben erscheint. Beton (engl. concrete) ist ein Baumaterial, ein trockenes Pulver aus Sand, granulierten Steinen und Zement als Bindemittel – staubig, chaotisch. Vermischt mit Wasser wird Beton flexibel und fluide und in einer Metamorphose des Wasserentzugs wird er wieder trocken, fest und widerstandsfähig in jeder gewünschten Gestalt. Die Arbeit mit dieser gleichsam nativen Granularität und Flüssigkeit ebenso wie Festigkeit und unterschiedlich gestaltete Räume waren leitende Gedanken bei der Entwicklung der Komposition. Um erstarrten Beton hörbar zu machen, wurden unterschiedliche Objekte aus Glas, Metall, Papier, Kunststoff, Stein und Holz auf dem Boden entlanggezogen – wie ein übergroßer Tonabnehmer eines Schallplattenspielers. Mit Kontaktmikrofonen wurden die resonanten Bewegungen der Objekte aufgezeichnet. Topos Concrete basiert auf diesen Klängen mit ihren reichen akustischen Spektren und zahllosen individuellen Klanggesten und Texturen, die nun ihrerseits Baumaterial der Komposition mit den Mitteln der elektroakustischen Musik sind. Finalist beim Kompositionswettbewerb für elektronische Musik MUSICA NOVA, Prag, 2014.

Clemens von Reusner

Programm:

[01] Anamorphosis (2018) 07:18

[02] HO (2008) 13:06

[03] Definierte Lastbedingung (2016) 11:41

[04] Dry Friction (2012) 12:56

[05] KRIT (2018) 10:12

[06] Sphären der Untätigkeit (2013) 09:29

[07] Topos Concrete (2014) 09:18

total playing time: 74:34

World Premiere Recordings

Tracks 01, 03, 05, 07 originally realized for 8 channels (third-order ambisonics).
On this SACD these four tracks have been down-mixed to 5.0 surround.
Tracks 02, 04, 06 originally mixed in 2 channel stereo.
The SACD multichannel layer therefore also features these mixes in 2 channel stereo.

Pressestimmen:

Computer Music Journal
Volume 43 | Issue 1 | Spring 2019 p.79-87

In Anamorphosis (2018), the first work on this collection, we hear carefully crafted, high-quality sounds and production techniques. Von Reusner has created a sonic universe in which unidentifiable sounds are used to form a highly compelling, plausible, artificial or virtual landscape. Sounds “appear” from nowhere, moving at various speeds and trajectories passing by the stationary listener. This is mostly accomplished by using gradual changes in amplitude and spatial positioning. It was sometimes difficult to tell whether separate events existed as part of a composite timbre or texture, or whether they were intended to be heard as separate entities. Von Reusner allows his materials to develop organically at a leisurely rate within through-composed forms that allow the listener sufficient amounts of time to become attuned to minute changes in the overall texture. This strategy draws the listener in from start to finish.

Ross Feller

www.computermusicjournal.org

 

in July 2019 „5:4“ [www.5against4.com] wrote:

In contemporary electronic music it can be hard to find a good balance between a robust sense of purpose while retaining the possibility of spontaneity. To an extent, the sculpted nature of fixed media works tacitly tends to enforce the former over the latter such that, like the dialogue in most movies, everything we hear is not merely interesting or relevant in the moment but necessary to the larger-scale direction of the work’s inner narrative. With that in mind, it’s been good to spend time with an anthology of electronic music by German composer Clemens von Reusner, where precisely this kind of balance between order and whim is demonstrated. (…)

Read the full article here.

 

auf www.faustkultur.de schrieb Bernd Leukert im Januar 2019:

Wer kann schon mit Sicherheit sagen, woher wir unser musikalisches Gefühl haben? (…) Der Komponist Clemens von Reusner (…) lässt hören, wie Musikalität selbst in fast tonlosen Klangstrukturen hervortritt. Da kann auch eine Holztür als Klangquelle dienen (Anamorphosis), von Reusner macht über viele verwandelnde Bearbeitungsschritte ein elegant ablaufende, mit jeder Variante bedachte Komposition. (…) Von Reusner kriecht nie in den Klang hinein. Er schreibt von „fortschreitenden Veränderungen im Sinne motivisch-thematischer Arbeit“ (in „Dry Friction“), die er gern zwischen antithetischen, also recht klassisch konzipierten Klanggebilden verrichtet, ohne dass man auf den Gedanken kommt, etwas anderes zu hören als zeitgenössische Musik. Überhaupt ist man überrascht, von Ausgangsmaterialien der Stücke wie Metall, Beton, Glas zu lesen, die im Hörbild keine Spuren hinterlassen. Das nämlich ist ansprechend, abwechslungsreich und bereichernd.

Lesen Sie hier den ganzen Artikel, in dem der Autor Reusners CD der neuen Veröffentlichung der Organisation für elektroakustische Musik DEGEM gegenüberstellt.

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