Hans Eugen Frischknecht: Music for Special Organs

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Artikelnummer: NEOS 11902 Kategorie:
Veröffentlicht am: Februar 22, 2019

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MUSIK FÜR BESONDERE ORGELN

Im Orgelbau wurde seit jeher viel experimentiert. Das rührt zum einen daher, dass es eine Vielfalt an Möglichkeiten gibt, wie die Töne erzeugt und kombiniert werden können; zum anderen liegt es aber auch an der Einmaligkeit eines jeden Instruments, wodurch der Orgelbauer immer auch zum Erfinder wird.

Die Geschichte der Orgel führt zurück bis in die Antike, als der Ingenieur Ktesibios in Alexandrien 246 v. Chr. eine »Hydraulis« entwickelte. Durch Winddruck brachte das Instrument Bronzepfeifen zum Klingen, wobei Wasser für eine Gleichmäßigkeit des Drucks sorgte. In der Römerzeit begleiteten die damals als profan geltenden Orgelklänge die blutrünstigen Veranstaltungen in der Arena, und erst im byzantinischen Reich fand das mittlerweile weiterentwickelte Instrument Verwendung für hohe Zeremonien, was ihm schließlich den Weg in die Kirche ebnete.

Die Besonderheit der Orgel liegt darin, dass man mit Hilfe unterschiedlicher Register auf den gleichen Tasten verschiedenartige Töne, Klänge und Dynamiken erzeugen kann. Ein Register besteht aus einer Pfeifenreihe in einheitlicher Bauart und Klangfarbe, die mit einem Tasten-Manual gekoppelt werden kann. In Normallage misst die tiefste Pfeife 8 Fuß, wobei ein Fuß etwa 30 Zentimetern entspricht; spielt man nun einen Ton C, so erklingt auch eben dieser Ton C. Ein Register mit 16 Fuß tönt entsprechend eine Oktave tiefer, da jede Pfeife doppelt so lang ist wie bei 8 Fuß – und eines mit 4 Fuß folglich eine Oktave höher. Des Weiteren gibt es Register, die einen Quintton oder einen Terzton erzeugen. Die Klangfarbe kann dadurch beeinflusst werden, dass Pfeifenreihen unterschiedlich gebaut sein können: Man unterscheidet zwischen Lippenpfeifen (Labialpfeifen), die blockflötenähnliche Klänge erzeugen, und Zungenpfeifen (Lingualpfeifen), durch welche der Klang ähnlich wie bei einer Klarinette entsteht. Lippenpfeifen können an der Oberseite geschlossen sein, was den Ton um eine Oktave nach unten transponiert, man spricht hier von gedackten Pfeifen. Die Möglichkeiten eines Registers sind schier endlos: Tremulanten lassen den Ton schwingen, durch ein Effektregister können Pauke, Donner, Glockenspiele oder andere Geräusche hervortreten, und manch ein Orgelbauer erfindet ein Spaßregister wie das »Rauschwerk« im Dom von Ratzeburg, das eine Schublade mit Whisky öffnet. Da jede Orgel andere Register hat, liegt es auch am Organisten, jeweils die passendste Kombination für die von ihm gespielten Werke zu finden. Auf der anderen Seite können Komponisten sich genau diese Einmaligkeit zu Nutze machen, um ihre Werke für ganz bestimmte Orgeln und deren Eigenheiten zu konzipieren.

Auf der vorliegenden CD sind Werke von und mit Hans Eugen Frischknecht zu hören, der noch einen Schritt weiterging und seine Kompositionen für ganz besondere Orgeln auslegte: für Instrumente in mitteltöniger Stimmung, für vierteltönige Instrumente und für die »winddynamischen« Orgeln INNOV-ORGAN-UM.

Heute werden Tasteninstrumente in den westlichen Ländern zum großen Teil gleichstufig gestimmt; das heißt, alle Halbtöne weisen den gleichen Tonhöhenabstand (dieser beträgt exakt 100 Cent) zu ihren Nachbartasten auf. Das birgt allerdings Nachteile, denn alle Intervalle sind etwas unrein, verglichen mit den reinen Intervallen der Obertonreihe. Bevor diese Stimmung zur Regel wurde, stimmte man auch Tasteninstrumente zunächst rein, also bezogen auf die von Pythagoras entdeckten Schwingungsverhältnisse der jeweiligen Intervalle. Diese Praxis gab man schnell auf, denn die Schwingungsverhältnisse bezogen sich immer nur auf eine Grundtonart: Eine Modulation von einer Tonart hin zu einer anderen war beinahe unmöglich, da die auf den neuen Grundton bezogenen Intervalle deutlich verunreinigt und somit »schräg« klangen. Erleichterung schaffte die Mitteltönige Stimmung, die vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gängig war: Als Basis dienten reine Terzen, dafür wurden jedoch die Quinten leicht verengt. Modulationen waren also möglich, aber nur für eine begrenzte Anzahl an Tonarten. Erst gewisse spätbarocke Stimmungen machten das Modulieren in alle 24 Tonarten uneingeschränkt möglich, was Johann Sebastian Bach zu seinem Meisterwerk des Wohltemperierten Klaviers mit Präludien und Fugen durch alle 24 Tonarten verleitete, beziehungsweise dieses erst ermöglichte. Von der wohltemperierten bis zur heutigen gleichstufigen Stimmung herrscht nur ein recht kleiner Unterschied. Man macht sich den Trick zunutze, dass die Unreinheiten geschickt auf alle Töne aufgeteilt werden, so dass das Ohr sie fast überhaupt nicht wahrnimmt. Um auch bei mitteltöniger Stimmung in weit entfernte Tonarten modulieren zu können, fügten manche Instrumentenbauer zusätzliche Obertasten ein. Dies hatte zur Folge, dass die Obertasten geteilt wurden, so konnte z. B. auf dem unteren Teil einer Obertaste Es und auf dem oberen Teil Dis gespielt werden, wobei der Abstand jeweils in etwa 1/5-Ton entsprach. Manche Instrumente hatten zusätzlich auch (etwas kleinere) schwarze Tasten zwischen H und C sowie zwischen E und F. In seinen Kompositionen für die mitteltönig gestimmte Orgel greift Hans Eugen Frischknecht auf eben diese geteilten Obertasten zu und kostet den Kontrast zwischen den Sub-Halbtönen aus.

Die Wende zum 20. Jahrhundert brachte unzählige Neuerungen: Man träumte von Fortschritt und Moderne. Auch in der Musik wollte man neue Wege beschreiten und alle dagewesenen Normen sprengen. Während Komponisten der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg den Schritt in die freie Tonalität unabhängig von einem festen Grundton wagten und von dort Versuche starteten, die 12 Halbtöne aufeinander zu beziehen, begnügten sich andere nicht mit dem vorgegebenen Tonvorrat. Ferruccio Busoni ließ sich ein Dritteltonharmonium bauen, um die Zwischenklänge zu erforschen; Béla Bartók und Charles Ives setzten hingegen auf Vierteltöne, um ihre Kompositionen zu bereichern. Berühmt wurden auf diesem Feld die Versuche von Alois Hába, der auf noch engerem Raum zu den Sechstel- und Zwölfteltönen vordrang und sogar neue Instrumente erfand, um seine Klangvorstellungen umsetzen zu können. Auf bundlosen Streichinstrumenten lassen sich Mikrotöne realisieren, Tasteninstrumente hingegen müssen sich auf die vorgegebenen Tonhöhen der Tasten beschränken. Um dennoch über den üblichen Tonvorrat hinauszugehen, wurden vierteltönige Instrumente mit entsprechend vierundzwanzig Tasten pro Oktave gebaut; im deutschsprachigen Raum findet man in Christengemeinschaften von Zürich, Basel, Bern und Hamburg Orgeln, die Vierteltöne ermöglichen.

Auch im 21. Jahrhundert setzen sich die Experimente im Orgelbau fort. Das Projekt INNOV-ORGAN-UM macht es sich zur Aufgabe, die Lautstärke auch nach dem Anschlag noch zu verändern. Der Organist Daniel Glaus stellte gemeinsam mit dem süddeutschen Orgelbauer Peter Kraul bislang drei Prototypen her. Die Prototypen erlauben, auf verschiedene Weise den Winddruck zu variieren, wodurch die Lautstärke zu- oder abnimmt. Gleichzeitig ändert sich jedoch auch die Tonhöhe. Beim leichten Drücken der Tasten öffnet ein Schwanzventil einen Windkasten, durch den unveränderter Winddruck in die Pfeifen strömt. Ab einer bestimmten Tastentiefe, die durch eine Traktur geändert werden kann, spricht die Taste je nach genauer Tiefe nach und nach auch ein Kegelventil an. Dieses führt zu einem zweiten Windkasten, dessen Druck sich variieren lässt. Höherer Druck heißt lautere Dynamik, bei manchen Pfeifen kann er zudem zum Überblasen führen. Fußbälge und -tritte nehmen ebenfalls Einfluss auf den Winddruck, der auf einer Windwaage an der Seite abgelesen werden kann.

Bei geringer werdendem Druck sinkt die Tonhöhe in einer Art Glissando, bis der Ton schließlich in die Obertöne zerfasert. Der Winddruck wirkt sich besonders auf die überblasenden Register aus, wo die Luftsäule in den Pfeifen nicht als Ganzes schwingt, sondern in Teilen; je nach Druck wechselt der Ton vom Grundton bis zur Oktave oder noch höher. Die Prototypen von INNOV-ORGAN-UM verfügen zudem über ein Register mit dem Namen »Windharfe«, das etwas zu hoch aufgehängt ist, wodurch der Wind die Kante von Pfeifen schneidet, die kein Labium besitzen. So erklingen flötenartige »Windtöne«, Blasgeräusche auf fixierten Tonhöhen.

Ein weiterer Prototyp von INNOV-ORGAN-UM steht in der Stadtkirche Biel: Die Firma Metzler aus Dietikon (Schweiz) konzipierte ein Instrument mit drei herkömmlichen Manualen und einem winddynamischen nach den Prinzipien der Prototypen 2 und 3. Dies ermöglicht, die Klangfarben der unterschiedlichen Manuale zu konfrontieren.

In seinen Stücken und Bildern für die »besonderen Orgeln« geht Frischknecht auf die Charakteristika der jeweiligen Instrumente genau ein und hebt die Eigenheiten dezidiert hervor. Es handelt sich größtenteils um kürzere Werke, die jeweils bestimmte Aspekte der Instrumente unterstreichen. Es ließen sich Rückbezüge finden auf die frühen Formen der Präludien oder Toccaten: Mit diesen wurden die Instrumente »erkundet«, die Eigenschaften spielerisch erforscht und dem Spieler wie dem Hörer gleichermaßen nähergebracht.

Oliver Fraenzke

DIE ORGELN

Wenn heute Orgeln neu gebaut werden, orientieren sich Orgelbauer oft an historischen Vorbildern.
Die Chororgel der Nydeggkirche Bern wurde nach dem Vorbild italienischer Barockorgeln gebaut. Die Orgel ist mitteltönig gestimmt, die Obertasten sind bei Gis /As und Dis / Es geteilt.

Im Projekt INNOV-ORGAN-UM wurden verschiedene Prototypen erstellt.
Prototyp 2 verfügt über einen Umfang von zwei Oktaven. Die Register sind:
Gedackt 8’
Prinzipal 4’
Gedackt-Quinte 2 2/3’ – überblasend* (bei tiefem Winddruck: Quintade 8’,
bei hohem Winddruck: Terz 1 3/5’)

Es folgte ein Prototyp 3 mit drei Manualen und einem Umfang von fünf Oktaven.
Die Register sind:
Prinzipal 8’
Gedackt 8’
Flöte (überblasend*) 4’ (bei tiefem Winddruck: 8’)
Gedackt-Quinte (überblasend*), 2 2/3’ (bei tiefem Winddruck: 8’)
Gedackt-Terz (überblasend*) 1 3/5’ (bei tiefem Winddruck: 2 2/3’, bei sehr tiefem Winddruck: 8’)
Windharfe (dieses Register lässt vor allem ein Luftgeräusch hören, der Ton ist nur schwach in dem Luftgeräusch eingebettet)

Die Register sind auf dem ersten und dem dritten Manual spielbar.
Auf dem ersten Manual sind Kegelventile eingebaut, auf dem dritten Schwanzventil.
Das zweite Manual ist ein Koppelmanual.

Die beiden Prototypen standen bei der Aufnahme in der Stadtkirche Biel und wurden später in das Münster Bern transferiert.

Das vierte Manual der neuen Orgel in der Stadtkirche Biel ist winddynamisch gebaut und verfügt über folgende Register:
Flöte 8’
Prinzipal 4’
Quinte 2 2/3’
Terz 1 3/5’
Windharfe

* überblasend: Hier schwingt die Luftsäule in einer Pfeife nicht als Ganzes, sondern in Teilen. Daraus resultiert ein höherer Ton. Möglicherweise überbläst eine Pfeife nur ab einer bestimmten Höhe des Winddrucks.

Programm:

Music for Special Organs
Fifth of a tone · Twenty-four keys per octave · Wind-dynamic organs

4 Pieces for a Meantone Organ
4 Stücke für eine mitteltönig gestimmte Orgel (Chororgel der Nydeggkirche Bern) 08:07

[01] I 02:09
[02] II 01:26
[03] III 02:47
[04] IV 01:45


6 Pieces for a 24-Tone Organ

6 Stücke für eine 24-Ton-Orgel (Christengemeinschaften Bern und Basel) 12:00

[05] I 01:37
[06] II 03:01
[07] III 01:59
[08] IV 01:23
[09] V 02:41
[10] VI 01:19


“Nov-Org” – 3 Pictures for Prototyp 2 of the Organ Project ORGAN-INNOV-UM
“Nov-Org” – 3 Bilder für den Prototyp 2 des Orgelprojekts ORGAN-INNOV-UM 08:05

[11] I 02:43
[12] II 01:51
[13] III 03:31


“Nov-Org” – 6 Pictures for Prototyp 3 of the Organ Project ORGAN-INNOV-UM
“Nov-Org” – 6 Bilder für den Prototyp 3 des Orgelprojekts ORGAN-INNOV-UM 21:54

[14] I 02:59
[15] II 03:18
[16] III 05:25
[17] IV 02:36
[18] V 04:53
[19] VI 02:43


“Nov-Org” – 4 Pictures for the Organ in Biel Parish Church
“Nov-Org” – 4 Bilder für die Orgel der Stadtkirche Biel 17:33

[20] I 04:40
[21] II 04:08
[22] III 04:30
[23] IV 04:15

total playing time: 67:52

Hans Eugen Frischknecht, organ

World premiere recordings

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