JUAN MANUEL MARRERO – STREICHQUARTETTE
Über das Album
Ich war immer der Meinung, dass ein Komponist sowohl die Vielfalt seiner kompositorischen Sprache zeigen sollte als auch sich mit gegensätzlichen oder abweichenden Ästhetiken und Techniken auseinandersetzen. Die in dieser Edition vorgestellten Quartette werden meines Erachtens beiden Zielen gerecht. Histoire éphémère d’une plume blanche, Atractivo último de lo imposible und Quatuor pour un tableau (in zwei Teilen) sind im Kontext und in der Tradition der zeitgenössischen europäischen Klangfarben und Klangtexturen zu verstehen. Deutlich anders als diese, geradezu an deren ästhetischen Antipoden angesiedelt, sind Two American String Quartets, zwei repetitive und minimalistische Stücke.
Zu den Werken
Two American String Quartets: Lives in Central Park (2007)
Die Idee, mich der amerikanischen zeitgenössischen Musik anzunähern, kam mir auf ganz natürliche Art in New York, USA, als ich 2003 den New York City First Prize for Composition gewann. Nachdem drei meiner Werke in der Carnegie Hall und im Lincoln Center aufgeführt worden waren, komponierte ich diese beiden Stücke. Im ersten entwickelt jede Instrumentalstimme, jedes rhythmische Motiv eine eigene Routine. Genau wie die Menschen, die wieder und wieder durch den Central Park spazieren.
Two American String Quartets: Hopper’s Nighthawks (2010)
Die vier Streicher wiederholen und tauschen der Reihe nach ihre Stimmen, so dass ein abwechslungsreiches rhythmisches und melodisches Geflecht entsteht. Vier Streicher, wie die vier Figuren in Hoppers Gemälde: zwei Männer mit Hüten, das rothaarige Mädchen und der Barmann. Jeder lebt seine eigene Geschichte, aber alle Geschichten ähneln sich und enden am selben Ort: an der Theke, hinter dem Glas.
Histoire éphémère d’une plume blanche (2017)
Durch ein vielfältiges und reiches Zusammenspiel von Texturen, Motiven, Farben und Klanggestalten ist das Werk die musikalische Umsetzung eines äußerst poetischen Bildes: des langsamen, allmählichen Sinkflugs einer Feder, mit ihren vielfachen Drehungen und Wendungen, bis sie träge auf dem Boden liegen bleibt. Das Werk existiert in zwei Fassungen: für Bläserseptett, Schlagzeug und Streicher – und für Streichquartett.
Atractivo último de lo imposible (2015)
Präzise musikalische Gesten und Striche, die nach und nach das Klangmaterial selbst aufbauen und wieder zerstören.
Quatuor pour un tableau: première partie (2010)
Wie der Titel schon sagt, wurde dieses Quartett für ein Gemälde komponiert: El ámbito del Demiurgo (Acryl auf Leinwand, 200 x 400 cm). Das Werk stammt von dem spanischen Maler und engen Freund Juan José Gil (1947–2023). Die Komposition ist weitgehend von diesem Gemälde inspiriert. Die Absicht war, Entsprechungen und Parallelen zwischen Klangtexturen und plastischen Formen herzustellen.
Quatuor pour un tableau: deuxième partie (2010)
Erweiterung und Abschluss der ursprünglichen Idee.
Über die Musik
Nach alledem: Ich war schon immer der Meinung, dass man Musik erst hören, dann entdecken und somit spontan einschätzen oder verstehen muss, bevor sie erklärt wird. Nichtsdestotrotz sollen diese Notizen als eine kurze Einführung in diesen Teil meines musikalischen Schaffens dienen.
Juan Manuel Marrero