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Kalevi Aho: Piano Works

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Artikelnummer: NEOS 10915 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: Januar 16, 2017

Infotext:

FREIER FLUG DER FANTASIE
Klavierwerke von Kalevi Aho

Unter den Komponisten unserer Zeit ist Kalevi Aho in handwerklicher Hinsicht wie auch bezüglich seiner klanglichen und formalen Fantasie ein Gigant. Obwohl international nicht so regelmäßig aufgeführt wie einige seiner Kollegen, ist er heute ohne weiteres als Finnlands blendendster Symphoniker und Opernschöpfer zu nennen.

Aho wurde am 9. März 1949 im südfinnischen Forsa geboren. Als Neunjähriger lernte er Mandoline und Geige spielen, und seit dieser Zeit komponiert er auch. Als Heranwachsender liebte er die großen romantischen Symphoniker, und während der Schulzeit schrieb er mehrere Streichquartette und Sonaten für Violine solo sowie sein erstes Orchesterstück – alles ohne jede Unterweisung, direkt aus dem Hören heraus. Nach dem Abitur begann er ein Mathematikstudium und studierte gleichzeitig in Helsinki an der Sibelius-Akademie Komposition bei Einojuhani Rautavaara, dem vielseitigen, farbenreichen und technisch versierten Stilpluralisten, der mittlerweile als Finnlands populärster Symphoniker nach Sibelius gelten darf. Rautavaaras undogmatische Herangehensweise war ideal für Aho, der bezüglich des stilistischen Pluralismus seinen Lehrer bei weitem überflügeln sollte. Schon 1969, im ersten Studienjahr, schrieb er seine Erste Symphonie, ein höchst erstaunliches, von jugendlicher Genialität durchwehtes, vortrefflich gearbeitetes Werk von großer Anlage, das ihm sogleich den Durchbruch in seiner finnischen Heimat ermöglichte.

Vollendete Beherrschung der Technik, insbesondere des großen Orchesters, und freier Flug der Fantasie sind Kennzeichen seines Schaffens, das sich von Werk zu Werk in extrem verschiedenen Facetten offenbart. Bis heute hat Aho sechzehn Symphonien komponiert, die als eine Art schöpferischer Kernbestand seines Œuvres anzusehen sind. Als Opernkomponist ist er nicht weniger bedeutend, doch ist bislang noch keine seiner Opern auf CD erschienen, was auf die Verbreitung einen hemmenden Einfluss hat. Dabei ist gerade seine Opernproduktion von eminentem Interesse, ist er doch von Natur aus vor allem ein bildgewaltiger Musikdramatiker, hochbegabt in der suggestiven psychologischen Führung und Ausleuchtung der agierenden Charaktere und Ereignisse sowie in der Zeichnung des Tragischen und Bizarren.

Aho hat zudem eine glückliche Hand für zeitlos aktuelle und zugleich komplex anspruchsvolle Sujets, man denke nur an Werke wie Das Leben der Insekten oder Wenn wir alle ertrunken sind. Über all dem ist, neben drei avancierten Kammersymphonien, seine virtuose Kammermusik nicht zu übersehen, in deren Zentrum die Serie von Quintetten für Bläser und Streicher in ganz unterschiedlich gemischten Besetzungen stehen (beispielsweise das klanglich und strukturell höchst originelle Quintett für Altsaxophon, Fagott, Viola, Cello und Kontrabass von 1994, in welchem es, wie so oft bei ihm, »um elementare Gegensätze geht, die unser Leben bestimmen: um Harmonie und Destruktivität, Freude und Verzweiflung, Gleichgewicht und Ungleichgewicht, Leben und Leblosigkeit«.)

Als Symphoniker hat Aho alle der Gattung gerne auferlegten Grenzen gesprengt (insbesondere in den 1975–80 entstandenen Symphonien Nr. 5 und Nr. 6), hat mit seiner Vierten, Neunten und Zehnten Symphonie Werke geschaffen, die zum Substantiellsten zählen, was auf diesem Gebiet in unserer Zeit geschaffen wurde. »Katastrophen habe ich immer wieder komponiert. Aber ich habe keine katastrophischen Ideologien. Es gibt einfach so ungeheure Spannungen, etwas Heftiges muss dann passieren, und die Struktur kann daran zerbrechen. Das ist dann eine an ihrer Spannung ›zerbrechende Form‹.«

Der Cembalist und Pianist Andreas Skouras hat sich nun des Schaffens von Kalevi Aho angenommen und legt eine fulminante Einspielung der so vielgestaltigen wie unvorhersehbaren, so pianistisch grenzüberschreitenden wie inhaltlich und formal souverän verwirklichten Musik für Klavier solo vor. Zu den einzelnen Kompositionen hat Skouras die folgenden Anmerkungen verfasst: »Die Klavierwerke von Kalevi Aho sind von seinem überragenden orchestralen Denken durchdrungen. Die Polyrhythmik, die Überlagerung mehrerer Schichten verschiedener Geschehnisse und das sich einstellende Klangbild entsprechen oft dem eines großen Orchesters.

Bestes Beispiel dafür ist die Sonate von 1980. Dreisätzig, in klar voneinander getrennten aber ohne Unterbrechung aufeinander folgenden Teilen, ist sie Ahos gewichtigstes Solowerk für Klavier. Den Keim der Entwicklung bilden die Intervalle der großen und kleinen Terz. Der erste Satz, eine Art Improvisation, stellt verschiedene Elemente kontrastreich gegenüber. Geheimnisvolle Girlanden wechseln sich mit rhythmisch unsteten Momenten, clusterartigen Akkorden und freien Melodien ab. Der zweite Satz, eine Toccata, geht an die Grenze des pianistisch Spielbaren. Der stringente Rhythmus verdichtet sich zunehmend durch die Überlappung von Stimmen und mündet in eine Prestissimo-Coda, die nach wilden Cluster-Ausbrüchen und einer sich verlierenden Tonleiter mit dem Signal einer Terz den umfangreichen dritten Satz verkündet – das eigentliche Herz des Werkes. Groß und getragen, einem Lamento gleich, orchestral angelegt mit luxuriösen Bläserakkorden auf der einen und streicherartigen Tremoli auf der anderen Seite, ist dies ein Musterbeispiel eines Klavierklangideals, wie es schon Liszt in vielen seiner Werke darzustellen versucht hat. Das Instrument wird nicht nur zu einem Orchester, sondern stellt die Apotheose des Klanges und des Ausdrucks dar.

Solo II gehört der gleichnamigen Werkgruppe an, die sich wie ein roter Faden durch das kammermusikalische Schaffen des Komponisten zieht. Im Konzept ähnelt sie deutlich der Sonate. Die Form ist auch hier dreiteilig: Introduktion / Improvisation – Schnell – Coda. Langsam. Doch rückt hier mehr das solistische Moment in den Vordergrund, das Klavier bleibt Klavier, der Tradition großer Konzertsoli der Romantik folgend. Interessant ist die Tatsache, dass auch hier die Terz – groß, klein und übereinandergeschichtet – den Ausgangspunkt des Werkes bildet und prägendes Intervall der Klangsprache bleibt. Der Wechsel und die Zusammenführung der beiden Intervalle vermitteln zwar den Eindruck von Bitonalität, doch gelingt es Aho, durch den Verzicht auf die Quinte und damit auf die Vervollständigung der Akkorde in Dur oder Moll, geschickt der Dur-Moll-Tonalität als solcher zu entgehen und zeigt die Terzintervalle als zwei Seiten der gleichen Münze.

Die Sonatine ist ein sehr gelungenes Beispiel, dem als leicht geltenden gleichnamigen Genre Gewicht zu verleihen. Klassisch gehalten ist der erste Satz, eine rhythmisch markante Toccata, auf die ein dreistimmiges liedhaftes Andante folgt, das durch kurze choralartige Abschnitte unterbrochen wird. Das Werk schließt mit einem Perpetuum mobile, das Elemente der ersten beiden Sätze aufgreift, miteinander kombiniert und somit überzeugend einen Bogen über das ganze Stück spannt.

Auch Ahos erste veröffentlichte Klavierstücke aus dem Jahr 1971 zeugen von dem Versuch, die orchestrale Idee auf das Klavier zu übertragen. Das erste Stück, Maestoso, beginnt mit mächtigen Akkorden, erweitert sich im zweiten Teil um liegende Orgelpunkte und schließt in der Illusion als Stück zu drei Händen. Das zweite Stück, Tranquillo, ist ein ruhiger Choral, und das abschließende Stück, Maestoso, eine Studie in Oktaven und Komplementärrhythmen.

Das Allegretto, eine kleine Auftragskomposition, ist ein Spaß à la Schostakowitsch und ein ideales Zugabenstück. Das Andante hingegen ist tatsächlich ein Orchesterstück. Es wurde vom Komponisten aus dem ersten Satz seiner eigenen 4. Symphonie auf das Klavier übertragen.

Zu den frühesten Kompositionen Ahos gehören die 19 Präludien für Klavier aus den Jahren 1965–68, die der selbstkritische Komponist später zurückzog. Glücklicherweise stimmte er aber dieser CD-Veröffentlichung eines Querschnittes durch die Sammlung zu. Diese Stücke sind nicht nur Zeugnisse der frühen Entwicklung eines Hochbegabten, sie fördern eine erstaunliche Tiefe zutage und erweisen sich als deutliche Vorboten der späteren ureigenen Tonsprache Ahos. Gelegentliche Nähe zu Brahms (Nr. 11 und Nr. 14) oder Chopin (Nr. 10) tut diesem Eindruck keinen Abbruch. Ihre Vielfalt macht sie zu einem faszinierenden Panoptikum der Ideen und Höreindrücke.

Halla ist das finnische Wort für den überraschenden ersten Frost im Herbst bzw. einen späten Frost im Frühling. Auch der große finnische Dichter Eino Leino bediente sich dieses Begriffs für ein Gedicht. Doch Ahos einziges Stück für Violine und Klavier ist nicht als Programmmusik zu verstehen. Der Titel dient als Inspiration. Die Einleitung ist gravitätisch gehalten (man denke an Solo II), der darauf folgende Teil fließend und weich. Dabei erzielt Aho, der selbst Geiger ist, eine gewisse Ausgewogenheit im Auftreten der Instrumente, die gemeinsam ihre Gedanken formulieren und sich ergänzen. Ein offener Kontrast wird bewusst vermieden«.

Christoph Schlüren
Andreas Skouras

Programm:

Sonata (1980) 16:35

[01] 1. Achtel 138 03:50
[02] 2. Allegro molto – Prestissimo 03:15
[03] 3. Tranquillo molto 09:30

 

Solo II (1985) 13:20

[04] Tranquillo 03:22
[05] Allegro vivace 09:58

 

[06] Halla for violin and piano (1992) 08:15
Welt-Ersteinspielung
Anna Kalandarishvili, Violine

 

Sonatina (1993) 07:05

[07] 1. Toccata (Presto) 01:40
[08] 2. Andante 03:33
[09] 3. Prestissimo 01:52

 

Three Small Piano Pieces (1971) 04:45

[10] 1. Maestoso 02:34
[11] 2. Tranquillo 01:02
[12] 3. Maestoso 01:08

 

Two Easy Piano Pieces for Children (1983) 02:05

[13] 1. Allegretto 00:33
[14] 2. Andante 01:33

 

19 Preludes (1965–68) 21:36

[15] No. 1 Tranquillo 01:50
[16] No. 2 Allegro vivace 00:49
[17] No. 5 Grave 03:51
[18] No. 9 Lento assai 02:10
[19] No. 10 Prestissimo 01:22
[20] No. 11 Andante 00:54
[21] No. 14 Grave 01:34
[22] No. 16 Moderato 02:03
[23] No. 17 Andante – Allegro – Adagio 03:02
[24] No. 18 Lento assai, esitante 02:58
[25] No. 19 Tranquillo 01:05

 

Gesamtspieldauer: 74:22

Andreas Skouras, Klavier

 

Pressestimmen:

Im März 2018 erschien dieser Artikel, in dem Dr. Hartmut Hein Andreas Skouras‘ Einspielung der Klavierwerke Kalevi Ahos mit der von Sonja Fräkis aus dem Jahr 2014 vergleicht: https://magazin.klassik.com/reviews/reviews.cfm?TASK=REVIEW&RECID=32221&REID=17601

 

08/17

Kalevi Aho (geb. 1949) ist vor allem als Schöpfer von Orchesterwerken ein Begriff (16 Sinfonien!), sein Œuvre für Klavier ist vergleichsweise schmal geblieben. Seltsam angesichts der Qualität, die sich in Andreas Skouras‘ fast vollständigem Überblick zeigt.

Gewichtiges und Aphoristisches halten sich hier die Waage, auch insofern als Bedeutendes immer zugänglich klingt und die „Kleinigkeiten“ unerwartete Abgründe öffnen können. Das liegt nicht zuletzt an den so differenziert klangsinnlichen wie rhythmisch zupackenden Interpretationen von Skouras. Die dreisätzige „Sonata“ (1980) und das „Solo II“ (1985) verlangen alles, was ein avancierter Pianist an Virtuosität und expressivem Gestaltungsvermögen aufbieten kann. Sie schwanken zwischen lyrischem Innehalten und vorwärtstreibender Motorik, präsentieren schillernde harmonische Schwebezustände und orchestrales Denken in komplexer Rhythmik. Das Prestissimo der Sonate endet in heftigen Clusterentladungen, das raumgreifende Tranquillo molto beginnt mit stillen Klanginseln und mündet in Liszt’schen Orchesterevokationen.

Die Ersteinspielung des etwas altbackenen „Halla“ für Violine und Klavier (1992) hingegen präsentiert eine elegisch-verklärte Zwiesprache in nächtlichen Klangvaleurs.

Auch die bescheidener angelegten Stücke haben es in sich: Die „Three Small Piano Pieces“ (1971) scheinen mit ausgebeinter Faktur und sardonischen Zwischentönen Schostakowitsch die Ehre zu erweisen; die „Two Easy Piano Pieces for Children“ (1983) verstecken im lustigen Scherzo-Gewand bizarre Gewaltausbrüche.

Bemerkenswert auch die „19 Preludes“ (1965-68), die das enorme Talent des damals 16-jährigen Komponisten an den Tag legen. Der Zyklus ist zwar noch deutlich an spätromantische Vorbilder angelehnt, beinhaltet jedoch ungemein reife, ausdrucksstarke Eingebungen, die im „Grave“ tödlichen Ernst ausstrahlen können.

Dirk Wieschollek

 

 

07 / 2017

[…] „Sonata“ (1980) und „Solo“ (1985) verlangen alles, was ein avancierter Pianist an Virtuosität und expressivem Gestaltungsvermögen so aufbieten kann. Das „Prestissimo“ der „Sonate“ endet in heftigen Clusterentladungen, das raumgreifende „Tranquillo molto“ beginnt still und mündet in Liszt’schen Orchesterevokationen. Auch die bescheidener angelegten Stücke haben es in sich. […] Andreas Skouras‘ Interpretationen sind klanglich differenziert und rhythmisch zupackend.

Dirk Wieschollek


07 / 2017

 


22.06.2017, SZ- Extra

CD-Tipp

Andreas Skouras beginnt seine spannende CD, die das Klavierwerk des 1949 geborenen renommierten finnischen Komponisten Kalevi Aho enthält, mit seinem gewichtigsten und in jeder Hinsicht anspruchsvollsten Werk, der „Sonata“ von 1980. Sie klingt kontrastreich und farbig wie ein riesiges dreisätzigen Orchesterstück. Er endet mit frühen Préludes des 16- bis 19-Jährigen, die einen schönen Einblick in die Entwicklung des Musikers bieten und ein guter Einstieg für den Hörer sind. Dazwischen gibt es eine feine Sonatina (1993), witzige kleine Stücke sowie „Halla“ für Violine und Klavier.

Klaus Kalchschmid

 

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