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Malin Bång: Works for Orchestra

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Artikelnummer: NEOS 12211 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: März 18, 2022

Infotext:

MALIN BÅNG · WERKE FÜR ORCHESTER

Bevor ich zu komponieren beginne, stelle ich mir das Orchester als einen riesigen Aufführungsraum vor, in dem die vielen Musiker verteilt sind, bereit, jede Art von musikalischer Aktion auszuführen. Die kommunikative Rolle jedes einzelnen Instruments ist für mich eine lebenswichtige Inspirationsquelle, und völlig verschiedenartige Konzepte erwachen zum Leben, wenn ich über das dynamische Verhältnis zwischen dem Individuum und dem Kollektiv in einer solch großen Gruppe von Menschen nachdenke. Um das Orchester von innen heraus zu erforschen, möchte ich, dass alle Klänge ausschließlich von seinen Mitgliedern erzeugt werden, ohne die Notwendigkeit eines externen Inputs. Mit diesem Ziel im Sinn habe ich ein erweitertes Konzept der Rolle des Musikers entwickelt. Sollte ich nach einem Klang suchen, der außerhalb der Palette des Orchesters liegt, führe ich vielleicht ein akustisches Objekt in die Orchestrierung ein, das ebenfalls mit detaillierter Präzision gehandhabt wird.

Wenn man für ein Orchester komponiert, entwickelt man ein spezifisches Verhältnis zum Orchester als einem musikalischen Raum, mit all seinen einzigartigen klanglichen Perspektiven. Ich strebe danach, die Kontraste innerhalb dieses klingenden Raums zu erforschen – die unmittelbare Nähe eines detaillierten Klangs und seiner Auflösungen mit räumlichen, klangfarblichen Strukturen zu erleben. Die mögliche räumliche Bewegung eines Klangs ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, der mit dieser Forschungsarbeit verbunden ist – wie kann ein Klang langsam aus einem blassen Horizont emportauchen und allmählich fast schmerzhaft nah und deutlich werden?

Bewegung ist das zentrale Element aller Stücke, und der Fluss der Bewegung bringt den formalen Rahmen der Musik hervor.

Die idealistische Bewegung in splinters of ebullient rebellion entwickelt sich sehr allmählich, vom Klicken einer Schreibmaschine bis hin zu einer Welle der Anarchie, an der das gesamte Orchester beteiligt ist. In ripost und avgår, pågår gibt es Schichten urbaner Bewegung, in denen sich der Kontrapunkt der Fahrzeuge und der Aktivitäten der Menschen ständig verschiebt. Und in irimi wird die Perspektive so stark verengt, dass sie zu einer Beobachtung der Körperbewegungen und der extremen Fokussierung und Energie wird, die charakteristisch für die Techniken der Kampfkünste sind.

Alle Stücke auf dieser CD sind Konzertmitschnitte, in den meisten Fällen der Uraufführung, und sie tragen in sich die Spannung, Energie und Fokussierung dieses einzigartigen Moments, wenn eine Musik zum ersten Mal auf ein Publikum trifft. Mein tief empfundener und herzlicher Dank gilt den beteiligten Orchestern, Dirigenten und Solisten für ihre tatkräftige Hingabe, ihre detaillierte Präzision und ihre wunderschönen und fantasievollen Interpretationen!

avgår, pågår (2014)

Im März 2014 besuchte ich für einige Tage meine Heimatstadt Göteborg, die ich vor langer Zeit verlassen hatte. Ich wollte einen Klangspaziergang durch die Stadt machen – mir ohne visuellen Input anhören, wie die Atmosphäre und der Charakter der Stadt heute klingen. Ich machte Field Recordings im lärmigen Valand mit seinen vielen Straßenbahnen und am Brunnsparken mit seinem ständigen chaotischen Kontrapunkt aus Menschen, Vögeln und Verkehrsdurchsagen. Ich unternahm eine Fahrt auf der Hafenfähre Älvsnabben und wurde in den brüllenden Krach der Bremstriebwerke hineingesogen, die sich mit dem kühlen Plätschern des Meeres abwechselten. Ich besuchte den Dom von Göteborg, wo sich die Schritte auf den Kieswegen mit den langsamen Glissandi der Straßenbahnen vermischten.

Der urbane Lebensstil und städtische Klangbilder waren während der letzten Jahre eine wichtige Inspirationsquelle für meine Kompositionen. Jede Stadt hat ihre eigene spezifische Klangpersönlichkeit, die ihre Bewohner ununterbrochen durch ihr tägliches Leben erschaffen. Die Musik ist für mich zu einer Art Tagebuch geworden, in dem ich die Stadt porträtiere, in der ich gerade lebe, und ein Weg, um die Klänge zu ehren, die unser tägliches Leben begleiten.

ripost (2015)

ripost entstand anlässlich des Festivals zu Helmut Lachenmanns 80. Geburtstag im November 2015 in Stuttgart.

Ich traf Helmut Lachenmann zum ersten Mal in seiner Heimatstadt Stuttgart. Ich bat ihn, mir einige interessante Plätze in der Stadt zu zeigen, die ich zum Ausgangspunkt einer neuen Komposition nehmen wollte. Wir fuhren bergauf und bergab durch den dichten Stuttgarter Berufsverkehr, und er zeigte mir großzügig all die Häuser und Orte, die für ihn wichtig waren, als er und seine Familie hier aufwuchsen.

Mir war schnell klar, dass ich aus all diesen Plätzen denjenigen auswählen musste, der die größte Herausforderung darstellte, aber in musikalischer Hinsicht der faszinierendste war: den Wagenburgtunnel. Dieser Tunnel verbindet den Stadtkern Stuttgarts mit den östlichen Stadtteilen und wird heute von unzähligen Autos, Lastwagen und Bussen befahren. Statt die Geschichte des Tunnels zu dokumentieren, porträtiert die Form des Stücks sowohl die heutige klangliche Beschaffenheit des Tunnels als auch, wie ich selbst ihn erlebt habe. Wenn man durch den Wagenburgtunnel geht, empfindet man die Zeit als extrem präsent und zielgerichtet, wie eine unvermeidbare und mächtige Kraft, die einen vorwärts zieht. Ein ganzes Spektrum aus luftig-hellen Klangfarben und pulsierenden dunklen Geräuschen fließt mit Höchstgeschwindigkeit durch diesen Raum.

Die Rolle der Kontrabass- und Perkussionssolisten besteht darin, den Tunnel und seine Umgebung zu erforschen. Das Orchester repräsentiert den Tunnel selbst und macht zunächst das, was ein Tunnel typischerweise macht, indem es Schatten auf die Solisten wirft und ihnen ein Echo gibt. Allmählich gleitet der Tunnel in eine aktivere Rolle und beginnt, die Eindringlinge mit schnellen und manchmal schroffen Konfrontationen zu provozieren. Die Objekte, die der Perkussionist verwendet, sind »tragbare Tunnel«: Röhren aus Metall und Plastik, die normalerweise bei Bauarbeiten zur Entwässerung dienen.

splinters of ebullient rebellion (2017 / 2018)

Während ich an splinters of ebullient rebellion arbeitete, hatten sich die politischen Umstände, unter denen wir zurzeit leben, auf immer heftigere Weise manifestiert. Politiker und globale Marktkräfte sind jedoch nicht das einzige, das heutzutage die Entwicklung der Gesellschaft beeinflusst. Innovative Methoden und Meinungen »gewöhnlicher« Individuen, die einen nachhaltigen Einfluss auf den politischen Diskurs haben, nehmen täglich zu. Bescheidene, aber mutige Initiativen verbreiten sich wie ein Schneeballeffekt über soziale Medien und sind zu einem selbstverständlichen Teil der Nachrichtensendungen geworden. Wir beobachten, wie dieser neue Eckpfeiler des Idealismus versucht, die Aufmerksamkeit von vereinfachten, eindimensionalen Erklärungen wieder auf Kontexte zu lenken, in denen das gesamte Spektrum komplizierter Details sichtbar wird und die unzähligen Stimmen, die uns umgeben, präsent sind.

Für mich ist das Orchester eine dynamische Plattform, von der aus ich das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv erforschen kann, oder die hochsensible Kommunikation zwischen einer Institution und ihren Mitgliedern. Die orchestrale Struktur besteht aus zwei schroffen, mechanischen, gegensätzlichen Blöcken, die allmählich durch verschiedene Einflussfaktoren transformiert werden, die die Blöcke zwingen, miteinander zu interagieren und sich zu verflechten.

Einer dieser Einflussfaktoren besteht aus Fragmenten von mehr oder weniger aktuellen Liedern, die zu Symbolen für Demokratie und Menschenrechte geworden sind, zu einer verbindenden Kraft im Kampf gegen die verschiedenen Formen der Diskriminierung überall auf der Welt.

Der zweite Einflussfaktor sind die Stimmen der Orchestermitglieder, die individuelle Initiativen darstellen und in Form einer kollektiven Klangwolke aus weiter Ferne auftauchen.

Der dritte Einflussfaktor ist die Schreibmaschine; für mich ist sie das ultimative Symbol des engagierten Schreibens sorgfältig reflektierter Texte, benutzt von couragierten Menschen, die sich in stiller Opposition befinden. Etwas, das mich enthusiastisch stimmt, ist die Tatsache, dass heute jeder seine eigene »Schreibmaschine« wählen und mit der Kraft des Wortes eine Welle der Unterstützung in Gang setzen kann, um die Demokratie zu erhalten und zu stärken.

irimi (2012)

irimi, eine Komposition für das Klangforum Wien, stellt das Zusammenspiel unterschiedlicher Körperbewegungen und den Klang der Oberflächen der Instrumente ins Zentrum. Die meisten Instrumente bestehen aus Holz und Metall, aber die reichhaltigen Klangmöglichkeiten dieser Materialien selbst werden nur selten erforscht. So wie beim Schlagzeug durch Bürsten, Klopfen, Reiben oder auch Streichen mit einem Bogen verschiedene Klangfarben erzeugt werden, wird hier das instrumentale Material auf diese Weise erweitert. Die Präzision und der organische Fluss der Körperbewegungen in der japanischen Kampfkunst Aikidō haben sowohl die Bewegung der Gesten durch das Ensemble als auch die Methoden zur Erzeugung des Instrumentalklangs beeinflusst. Die aktive Stille und die fokussierte Energie erschaffen in Kombination mit explosiven Ausbrüchen kontrollierter Bewegung eine Reihe von kontrastierenden Dialogen, in denen die hölzernen und metallenen Klangfarben erforscht werden.

Malin Bång
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Steffens

Programm:

Malin Bång (*1974)

[01] avgår, pågår für Symphonieorchester (2014) * 10:24

WDR Sinfonieorchester
Ilan Volkov, Dirigent

[02] ripost für verstärkten Kontrabass und verstärkte Objekte mit Symphonieorchester (2015) * 16:01

Uli Fussenegger, Kontrabass
Jonny Axelsson, Schlagzeug
SWR Symphonieorchester
Peter Rundel, Dirigent

[03] splinters of ebullient rebellion für Symphonieorchester (2017/2018) 19:52

SWR Symphonieorchester
Pascal Rophé, Dirigent

Mitschnitt der Uraufführung, Donaueschinger Musiktage

[04] irimi für Sinfonietta (2012) * 15:55

Klangforum Wien
Enno Poppe, Dirigent

Mitschnitt der Uraufführung, impuls Festival, Graz

Gesamtspielzeit: 62:21

Live-Aufnahmen
* Ersteinspielungen

Auszeichnungen & Erwähnungen:

The panel of the Swedish Radio programme “Musikrevyn” praises the recording “Malin Bång – Works for Orchestra” with the highest score possible: “Art Music of the Year”

https://sverigesradio.se

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