Es scheint alles recht überschaubar: Eine klassische Konzertgitarre wiegt wenig und lässt sich überallhin mitnehmen, schnell spielbereit, lässig aufs Knie gestützt. Zusätzliches Equipment wie Bogen oder Kinnhalter etc.: unnötig. Volumen und Reichweite des Klangs sind begrenzt, daher auch die Auftrittsmöglichkeit der Instrumentalist:innen vor großem Auditorium oder im Zusammenspiel. »Klassische« Gitarrist:innen, so ahnt man, sind daher eher in sich selbst versunken. Ihr eigenes Ohr, nah zum Instrument, empfängt musikalische Ereignisse, die sie mit sensibler Akkuratesse minutiös koordinierter Fingerbewegungen möglichst geräuscharm und als kurz aufleuchtende, zart-flüchtige Klänge erzeugen.
Nun – vermutlich müssen wir vergessen, was Sie bis hierhin gelesen haben. Denn diese Sammlung von neuen Werken tritt an, so etwas wie das Gegenteil zu beweisen. Es geht um Kraft. Um physische Grenzerfahrungen und um ein Klangspektrum, von dem immer wieder rätselhaft ist, wie es in und mit der Gitarre entsteht. Tatsächlich: Es handelt sich bei allen hier eingespielten Kompositionen um Klangerzeugungen einer Spielerin mit einer Gitarre. Live-Elektronik oder ähnliches ist, auch wenn man das gelegentlich meinen könnte, nicht im Spiel, lediglich das ein oder andere mechanische Hilfsmittel bei der Erweiterung der gängigen Gitarrentechnik.
Klara Tomljanovič kennt alle beteiligten Komponisten, manche über viele Jahre. Vielleicht ist es das daraus erwachsene Vertrauensverhältnis, das diese herausfordernde Andersartigkeit der Gitarre erst ermöglicht. Hinzu kam – auf Seiten der Interpretin wie der Komponierenden – ein ausdauerndes Commitment: Aus ihrem eigenen Fundus lieh die Musikerin den nicht Gitarristen ein Instrument langfristig aus, und in gemeinsamen Tryouts ihre eigenen, über Jahrzehnte gewachsenen Spielmöglichkeiten. Womöglich befeuerte beides die bisweilen halsbrecherische Experimentierlust. Paradox oder nicht: Was bei den persönlichen Fähigkeiten und Spieltechniken sowie physischen Konditionen der Solistin seinen Ausgang nahm, führte am Ende zu einer immensen Erweiterung von ebendiesen.
Lydia Jeschke