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THE BEAST OF MANY COLOURS Es gibt viele Komponisten, von denen monographische CDs erschienen sind. In den meisten Fällen sind sie dann bereits verstorben oder sie müssen ungeheuer berühmt sein, bevor ihnen diese Ehre zuteilwird. Ich bin weder tot noch besonders bekannt, und dennoch habe ich das große Glück, den großen deutschen Maestro Detlev Bork getroffen zu haben, der viele Jahre seines kostbaren Lebens der Aufführung und anschließenden Aufnahme meiner Musik gewidmet hat, die jetzt auf dieser CD veröffentlicht wird. Für seine Entschlossenheit, Geduld, Kunstfertigkeit und die Poesie in seiner Seele, mit der er diese Musik zu Ihnen bringt, werde ich Detlev für immer dankbar sein. Die hier zu hörende Musik spiegelt mein gesamtes Leben als Komponist wider, von den frühen 1980er-Jahren (Partita Nr. 1) bis zum heutigen Tag (The Study of pi), insgesamt gut 40 Jahre. Als Detlev und ich diese Stücke im Sommer 2018 aufgenommen haben, war es, als ob 40 Jahre Arbeit zu einem kostbaren Diamanten der Zeit zusammengepresst wurden, wobei die Fehler meiner Jugend und die Errungenschaften meiner Reife zusammenfanden, und wo ich sie beobachten, genießen und auch ertragen konnte. Ich wünschte wirklich, alle bereits verstorbenen Komponisten hätten diese wunderbare und zugleich völlig erschreckende Erfahrung machen können! Die Partita Nr. 1 spiegelt viele meiner frühen Einflüsse wider, von Mario Castelnuovo-Tedesco über Igor Strawinsky bis zu Claude Debussy. Es ist ein jugendliches, optimistisches Werk. Die Partita No. 1 wurde vom australischen Virtuosen Craig Ogden uraufgeführt. Die vorliegende Aufnahme mit Detlev ist die Ersteinspielung. Die Partita Nr. 2, ebenfalls aus den 1980er-Jahren, ist ein ernsteres Werk, für das ich etwa sieben Jahre benötigte, eine wahrlich quälende Geburt. Wieder gibt es Einflüsse, moderner und schriller, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass ich mir diese Ideen zu eigen mache und mehr von meiner Sicht der Welt zum Ausdruck bringe. Der 3. Satz enthält Multiphonics (ich behaupte, diese Entdeckung als Erster gemacht zu haben, zumindest in dieser Weise), das Klingen eines Obertons gleichzeitig mit dem von der leeren Saite erzeugten Ton, die in diesem Fall auf einer Saite das Intervall einer Quinte erzeugt. Dies wird durch Aufschlagen der 6. Saite am 7. Bund mit dem rechten Zeigefinger erreicht. Das offene E und der Oberton H klingen gleichzeitig. Unglaublich, aber wahr! Als ich 1984 zu einem Besuch in London war, lud mich der armenische Komponist Gilbert Biberian freundlicherweise einen Nachmittag zu sich ein, um mir zuzuhören und mit mir einige meiner Kompositionen zu besprechen. Er war in der Tat großzügig und öffnete mir die Augen für unterschiedliche Möglichkeiten, die Komposition ergeben kann, und er war so freundlich, mir eine umfangreiche Liste mit Hinweisen zu geben, die ich wahrlich verschlang. Bei meiner Rückkehr nach Australien habe ich die Four Abbreviations fertiggestellt. Leider muss ich sagen, dass Gilbert von diesen Stücken nicht so beeindruckt war, wie ich gehofft hatte (vielleicht hatte ich nicht die Möglichkeiten verfolgt, die er sich überlegt hatte), aber diese Stücke sind einige meiner liebsten aus dieser Zeit, und sie erscheinen hier zum ersten Mal auf CD. Ein wesentlich ehrgeizigeres Werk aus den 1980er-Jahren ist The Beast of Many Colours. Es ist sehr viel umfangreicher, und es werden zudem die klanglichen Möglichkeiten der Gitarre ausgelotet und erweitert, getreu Segovias Aussage »Die Gitarre ist ein kleines Orchester«. Ursprünglich hieß das Stück Kolaj, ein anmaßender Name aus den 1980ern, der nie wirklich passte. In Bezug auf die Gitarrenwelt sagte Detlev einst zu mir, ich wäre wie ein »bunter Hund«, was unglaublich schmeichelhaft war, aber auch eine Idee, die ich sofort liebte, und so kam es zum Titel dieses Stückes. Für diese Erstaufnahme habe ich das Stück vollständig überarbeitet und es Detlev Bork gewidmet. Die Aigburth Variations wurden 1997 im Esszimmer meines Onkels George in Liverpool im Norden Englands geschrieben. Vor ihrer Emigration nach Australien lebten meine Eltern Frank und Margaret in dem Liverpooler Vorort Aigburth, und es schien passend, ihnen dieses romantische Stück zu widmen. Die Variations on a Theme of Benjamin Britten wurden auf Bitten von Detlev Bork im Jahr 2013 für sein Projekt zur Feier des 100. Geburtstages dieses wunderbarsten aller englischen Komponisten geschrieben. Ich hatte keinen Zweifel, welches Stück von Benjamin Britten mich inspirieren würde: sein Streichquartett Nr. 1, und das Thema meiner Arbeit ist das außergewöhnliche Andante Sostenuto des ersten Satzes. Detlev spielte die Uraufführung am 9. November 2013 in Heidelberg. Dies ist die Ersteinspielung. Und schließlich wurde The Study of pi im Jahr 2016 geschrieben. Im Fingersatz der Gitarristen wird der Daumen der rechten Hand mit p und der Zeigefinger mit i bezeichnet. Diese Studie konzentriert sich auf den schnellen Wechsel dieser beiden Finger. Infolgedessen ist das Stück ziemlich einzigartig, da es sich eher auf eine einzelne musikalische Linie als auf den akkordischen oder kontrapunktischen Stil konzentriert, der normalerweise mit der Klassischen Gitarre assoziiert wird. Es gewährt so einen faszinierenden Blick auf die Details, die klassische Gitarristen und Komponisten faszinieren. Eines der Hauptmerkmale von The Study of pi sind die vielen Modi (Skalen), die es enthält. Zum Zeitpunkt des Komponierens hatte ich keine Ahnung oder wirkliches Interesse an den genauen Bezeichnungen für diese Skalen. Ich war mit dem Ohr und meinem Herzen auf der Suche nach dieser Komposition. Später analysierte und benannte ein lieber Freund und Experte für dieses Thema, der Musikwissenschaftler Dr. Dale Harris, jede der Skalen, und die Partitur wurde anschließend einschließlich all dieser Namen von Bergmann Edition (Dänemark) veröffentlicht. Einige der Modi sind wohlbekannt, aber Hungarian Minor mode, Enigmatic mode und der Octatonic Half-Whole mode zeigen die Detailbesessenheit der Musikwissenschaftler, von der weder Gitarristen noch Komponisten je geträumt hätten. Roland Chadwick Programm:
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