Wolfgang von Schweinitz, Catherine Lamb Plainsound Counterpoint / Mirrors

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Artikelnummer: NEOS 11505 Kategorie:
Veröffentlicht am: März 9, 2015

Infotext:

DER HÖRENDE KLANG

Aus der nach oben hin sich verdichtenden Naturtonreihe entfaltet Plainsound Counterpoint einen bisher ungeahnten Reichtum harmonischer und melodischer Intervalle. Er rührt an die Hör-Grenzen des gerade noch Unterscheidbaren. Dies macht ihn, zusammen mit den damit einhergehenden spieltechnischen Herausforderungen, zu einem Meilenstein in der Literatur für Kontrabass solo.

Mit seiner großen Saitenlänge und dem aus ihr hervorgehenden Reichtum an Naturflageolett-Tönen erscheint der Kontrabass geradezu prädestiniert für die Aufgabe, eine mikrotonale Harmonik auf Basis der reinen Stimmung zu realisieren: nicht nur konzeptionell, sondern auch praktisch. Aufbauend auf einem Erfahrungsschatz, der sich in langer, enger Zusammenarbeit mit Wolfgang von Schweinitz angereichert hatte, entstand die Idee eines großen Werkes für Kontrabass solo, bei dem die Recherche über präzis ausstimmbare, nicht-temperierte Zusammenklänge fortgesetzt werden konnte. Plainsound Counterpoint entstand 2010 als Kompositionsauftrag der musica viva München.

Das siebensätzige Werk ist durchweg zweistimmig komponiert. Die obere Stimme bewegt sich in Flageolett-Tönen etwa anderthalb bis drei Oktaven über den jeweils gegriffenen, meist mikrochromatisch fortschreitenden Bassnoten. Alles in einer Hand: eine auch im grifftechnischen Sinne maßgeschneiderte Komposition, ganz aus dem Wesen des Kontrabasses heraus entwickelt – und zugleich fragiles Neuland. Ein Tanz auf Messers Schneide. Eine exakte Realisation wäre undenkbar ohne die gemeinsam von Marc Sabat und Wolfgang von Schweinitz entwickelte »Extended Helmholtz-Ellis JI Pitch Notation«, die 21 verschiedene Vorzeichen verwendet. Die Partitur gibt darüber hinaus in Brüchen dargestellte Frequenzverhältnisse, Cent-Angaben und Fingersätze an.

In höchstem Maße identifiziert mit diesen komplexen spektralen Klängen ist natürlich der Kontrabass selbst: Im Laufe des Einstudierens hat sich sein resonantes Klangspektrum stetig erweitert; zunehmend verhielt er sich freier, sonorer, sensibler und lebendiger. Fast scheint es, als liebe er diese Klänge – der Kontrabass, ein Harmonieinstrument!

Der Spieler steht vor der Aufgabe, sich von den abgesicherten Ordnungsstrukturen fest gefügter Skalensysteme zu verabschieden und sich einer Art »Schwerelosigkeit« auszusetzen. Hier gilt es, sich radikal zu sensibilisieren für eine neue Qualität bewussten intonatorischen Hörens. Plainsound Counterpoint moduliert über Intervalle, die aus den ersten 23 Partialtönen gebildet werden können (»23-limit«) – jeder hier entstehende Intervallklang, ganz gleich ob fremd oder altvertraut, lässt sich präzise mit dem Ohr ausstimmen und ist damit als plausibles, »tonales« Intervall legitimiert. Maßgeblich dafür ist dessen jeweiliges Klangspektrum aus mitschwingenden Kombinationstönen, Obertonkonsonanzen und Schwebungen: sein charakteristisches »Gesicht«. Jeder Zweiklang rastet quasi ein beim Intonieren – und erblüht zu einem vielstimmigen Akkordklang mit unverwechselbarem Timbre.

Die Kategorien von Harmonie und Klangfarbe fließen hier ineinander, und in den harmonischen Fortschreitungen von Plainsound Counterpoint verwirklicht sich die Idee einer mikrotonalen »Klangfarbenmelodie«. Sie ist es, die die Hauptrolle spielt, weshalb der Komponist die Verwendung anderer formbildender Gestaltungsmittel auf ein Minimum reduziert hat. Jeder Klang potenziert sich in einem sinnlichen Prozess ur-tonalen Werdens, und so kann jeder Augenblick dieser Musik als ihr Mittelpunkt erlebt werden. Mit kategorisch geschärften Ohren lässt uns Wolfgang von Schweinitz an seiner Entdeckung neuer harmonischer Dimensionen teilnehmen.

Die Vielfalt möglicher Intervallklänge erlaubt auch den Entwurf größerer Formen, wie sie in Plainsound Counterpoint mit seinen sieben subtil aufeinander aufbauenden intonation studies realisiert ist: In ihrer Grund-Textur sind sie einander zwar sehr ähnlich, bauen jedoch ihre eigenen musikalischen Gravitationsfelder auf und erzählen so – »Prophetengesängen« gleich – ihre hintergründig ineinandergreifenden Geschichten, aufsteigend im Strom des harmonischen Kosmos.

Vielleicht sind die emotionalen Wirkungen allenthalben aufleuchtender Ur-Konsonanzen weniger ein Resultat sprachähnlicher Konditionierungen, als vielmehr ein Hinweis auf etwas, das uns physiologisch tief eingeschrieben ist. Das nuancenreiche Spiel verfeinerter Harmonien kann im Hörer Projektionsflächen mit breiten Deutungsspielräumen eröffnen. Man darf sich diesem komplexen Melos anvertrauen, ohne sich näher mit der Theorie befassen zu müssen.

Catherine Lamb hat ihr Solostück Mirror in einer frühen Schaffensphase geschrieben, als sie die Flageolette der Streichinstrumente erforschte. Mirror zelebriert die unterschiedlichen Klangfärbungen rein gestimmter Zweiklänge, mit all ihren synergetischen Verschmelzungen und rotierenden Schwebungen. Der Tanz irisierender Resonanzen im Instrumentenkörper wird zum musikalischen Ereignis. »Der klingende Korpus ist in ständiger Verwandlung begriffen und atmet auf sich verändernde Art, entsprechend seiner jeweiligen harmonischen Orientierung«. (Catherine Lamb)

Das Tonmaterial des Stückes ergibt sich aus den vier Obertonreihen der leeren Saiten des Kontrabasses, die in einer Skordatur mit den Schwingungsverhältnissen 10:7, 4:3 und 7:5 gestimmt sind: Hier werden Quarten der üblichen Kontrabass-Stimmung schmetterlingshaft zu den zwei »septimalen« Tritoni ausgeweitet.

Die Partitur zeigt graphisch freie Gefüge locker aneinander gereihter Paare von Zahlenchiffren, Klanginseln suggerierend: Sie bezeichnen die zu spielenden Saiten und Partialtöne. In Mirror scheint die ästhetische Duplizität aus Konsonanz und Dissonanz aufgehoben. Ein Schlüsselintervall von Mirror ist die um ein Quäntchen zu kleine, anrührend »falsche« verminderte Oktave 49:25 – mit ihrer lieblichen Schwebung klingt auch sie eigentümlich konsonant, als eine »vox humana«. Die sechs kleinen Sätze von Mirror atmen die Poesie des Einfachen. Ihre Expressivität liegt im Material und ist von unausweichlicher Präsenz.

Frank Reinecke

Programm:

Wolfgang von Schweinitz (*1953)

[01–07] Plainsound Counterpoint 48:04
Seven 23-limit Harmony Intonation Studies for double bass solo, op. 56 (2010–2011)
Dedicated to Frank Reinecke

[01] Study 1 07:17
[02] Study 2 04:43
[03] Study 3 07:07
[04] Study 4 09:04
[05] Study 5 05:49
[06] Study 6 05:34
[07] Study 7 08:30

Catherine Lamb (*1982)

[08–13] Mirror 11:51
for double bass solo (2006)

[08] I 02:38
[09] II 02:41
[10] III 02:07
[11] IV 01:44
[12] V 01:31
[13] VI 01:10

total playing time: 60:03

 

Frank Reinecke double bass

World Premiere Recordings

Pressestimmen:

06/2015


4/15

Die Sensation der reinen Intervalle
Neue Musik auf neuen CDs, vorgestellt von Max Nyffeler

„Plainsound Counterpoint“, das große Exerzitium der reinen Obertöne von Wolfgang von Schweinitz, ist vom Kontrabassisten Frank Reinecke auf kongeniale Weise eingespielt worden. Die sieben Studien sind durchweg zweistimmig komponiert, wobei die obere Stimme aus Flageoletts besteht. Die harmonische Basis bilden die ersten dreiundzwanzig Partialtöne. Durch die vielen primzahligen Obertonverhältnisse entfaltet sich eine komplexe, kaleidoskopartig wechselnde Harmonik, die im Resonanzkörper des Kontrabasses auf einzigartige Weise zum klingen kommt.

Gekoppelt ist das Werk mit „Mirror“ von Catheine Lamb. Sie arbeitet ebenfalls zweistimmig, gibt dem Interpreten aber Gelegenheit, mehr die Tiefen und mittleren Lagen der umgestimmten Saiten zu nutzen, was zusammen mit den reinen Intervallen einen wärmeren, voluminöseren Klang ergibt.

Auszeichnungen & Erwähnungen:


06/2015


4/15

Die Sensation der reinen Intervalle
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„Plainsound Counterpoint“, das große Exerzitium der reinen Obertöne von Wolfgang von Schweinitz, ist vom Kontrabassisten Frank Reinecke auf kongeniale Weise eingespielt worden. Die sieben Studien sind durchweg zweistimmig komponiert, wobei die obere Stimme aus Flageoletts besteht. Die harmonische Basis bilden die ersten dreiundzwanzig Partialtöne. Durch die vielen primzahligen Obertonverhältnisse entfaltet sich eine komplexe, kaleidoskopartig wechselnde Harmonik, die im Resonanzkörper des Kontrabasses auf einzigartige Weise zum klingen kommt.

Gekoppelt ist das Werk mit „Mirror“ von Catheine Lamb. Sie arbeitet ebenfalls zweistimmig, gibt dem Interpreten aber Gelegenheit, mehr die Tiefen und mittleren Lagen der umgestimmten Saiten zu nutzen, was zusammen mit den reinen Intervallen einen wärmeren, voluminöseren Klang ergibt.

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