Josef Tal, einer der prägenden Komponisten des 20. Jahrhunderts und Pionier der elektronischen Musik in Israel, entzieht sich allen einfachen Zuschreibungen. Seine Musik, tief im mitteleuropäischen Erbe verwurzelt und zugleich von der Erfahrung des Exils geformt, verbindet persönliche künstlerische Integrität mit einem unermüdlichen Drang nach neuen Ausdrucksformen. Dieses Album widmet sich dem weiten Spektrum seines Klavierschaffens – von frühen, noch der romantischen Tradition verpflichteten Miniaturen bis hin zu avancierten Werken, in denen akustische und elektronische Welten in einen spannungsvollen Dialog treten.
Im Zentrum steht Tals Fähigkeit, aus kleinsten motivischen Keimen – seinen charakteristischen Tonzellen – ganze musikalische Welten zu entfalten. Ob in der expressiven Klaviersonate von 1949, den farbgesättigten Five Densities, den eleganten Sechs Sonetten oder den späten Essays: Immer erzeugen diese mikroskopischen Bausteine eine innere Logik, die das Werk über stilistische Grenzen und ideologische Erwartungen hinweg trägt. Selbst in Stücken, die sich auf traditionelle Formen stützen – etwa Ostinato-Variationen, Chaconne-Strukturen oder Zitate jüdischer Melodien – bleibt Tal seiner individuellen Sprache treu und verwandelt historische Modelle in persönliche Ausdrucksräume.
Die Pianistin Ofra Yitzhaki, international für ihre poetische Intensität und ihr Engagement für zeitgenössische Musik gefeiert, bringt diese vielfältigen Klangwelten mit außergewöhnlicher Klarheit, Virtuosität und Empathie zum Leuchten. Ihre langjährige Auseinandersetzung mit Tals Œuvre und ihre besondere Nähe zu dessen künstlerischer Haltung – die Suche nach einer authentischen Stimme zwischen Kulturen – verleihen dieser Aufnahme eine seltene Tiefe.
Dieses Album lädt dazu ein, Josef Tal neu zu entdecken: als einen Komponisten zwischen Welten, dessen Musik zugleich reflektiert, berührend und von zeitloser Modernität ist.
Programm
Josef Tal (1910–2008)
Sonata for Piano (1949) 14:07
Five Densities (1975) * 10:41
Three Pieces (1937) * 08:57
Concerto No. 5 for Piano and Magnetic Tape (1964) * 14:25
Tonband von Josef Tal
By the Rivers of Babylon (1951) * 04:36
Six Sonnets (1946) * 07:01
Essay IV (1997) * 06:52
Essay V (2000) * 04:09
Chaconne (1936) * 10:30
Gesamtdauer: 82:04
Ofra Yitzhaki, Klavier
* Welt-Ersteinspielungen
Biografien
Josef Tal wurde in der Stadt Pinne, nahe Poznań im Deutschen Kaiserreich (heute Polen) geboren. Kurz nach seiner Geburt zog seine Familie nach Berlin, wo sein Vater, Rabbi Julius Grünthal, Dozent am Höheren Institut für Jüdische Studien wurde.
Tal studierte an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin bei Max Trapp, Heinz Tiessen, Max Saal, Curt Sachs, Julius Prüwer und Paul Hindemith. 1934, nach dem Verbot seiner Klavierlehrtätigkeit unter dem nationalsozialistischen Regime, emigrierte er in das britische Mandatsgebiet Palästina. Von 1951 bis 1981 war er Mitglied der Fakultät der Hebräischen Universität in Jerusalem. Als Pionier der elektronischen Musik in Israel gründete er dort 1961 das erste Zentrum für elektronische Musik des Landes.
Tals Œuvre umfasst acht Opern, sechs Sinfonien und dreizehn Konzerte sowie zahlreiche Kammermusik-, Solo-, Choral- und elektronische Werke. Er war Mitglied der Berliner Akademie der Künste und wurde mit dem Israel-Preis, dem Wolf-Preis und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
www.joseftal.org
Ofra Yitzhaki trat im New York Museum of Modern Art, in der Taiwan National Concert Hall, im Berliner Museum für Musikinstrumente und im Palast der Künste in Vilnius auf. Ihr Konzert beim Klavierfestival Ruhr, bei dem sie neben Bach auch europäische Erstaufführungen israelischer und amerikanischer Musik spielte, wurde von der Westfälischen Rundschau als »ein Abend mit Seele, Poesie und glorreichen Klängen« beschrieben.
Yitzhaki hat über dreißig Konzerte von Bartók und Haydn bis hin zu Ligeti und Messiaen mit den Berliner Symphonikern, dem Nationalen Sinfonieorchester des Rumänischen Rundfunks sowie dem American Symphony Orchestra und dem Jerusalem Symphony Orchestra aufgeführt. Sie hat sich auch der Neuen Musik zugewandt und mehr als sechzig Solo- und Kammermusikwerke uraufgeführt. Ihre enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten Milton Babbitt führte zu einer erfolgreichen Uraufführung seiner Musik in der Carnegie Hall, und ihre Arbeit mit dem Pariser Ensemble intercontemporain wurde von der israelischen Tageszeitung Ha’aretz als Erreichen eines »neuen, hervorragenden Niveaus in der Aufführung moderner Musik« beschrieben. Ofra Yitzhaki ist eine der letzten Schülerinnen von Paul Badura-Skoda und hat in letzter Zeit Solokonzerte mit Bachs gesamtem Wohltemperiertem Klavier aufgeführt.
Yitzhaki ist Professorin an der Buchmann-Mehta School of Music der Universität Tel Aviv und Künstlerische Leiterin des Kammermusikfestivals Voice of Music in the Upper Galilee. Sie hat einen Doctor of Musical Arts für Klavier von der Juilliard School.
www.ofra-yitzhaki.com
Infos
Katalognummer: NEOS 12520
EAN: 4260063125201