Art-Oliver Simon: Works for Strings I

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1 CD

Artikelnummer: NEOS 12419 Kategorie: Schlagwort:
Veröffentlicht am: September 30, 2024

Art-Oliver Simon ist gleich Klaus K. Hübler bezüglich seines Denkens und seines Musikschaffens ein Komponist von ausnehmend hoher ästhetischer Integrität und Gradlinigkeit. Er ist als Musiker jemand, der konsequent unbequem wider den Zeitgeist ficht. Dies findet sich in seinem Komponieren wieder, welches sich, unverwechselbar, keiner stilistischen Richtung wirklich zuordnen lässt. Er entzieht sich allen denkbaren Klischees der Neuen Musik. Und dies, verbunden mit seiner kompositorisch rigorosen Radikalität, gleich dem Franzosen Claude Ballif, macht ihn so singulär. Seine Musik ist faszinierend, weckt Neugierde, ihr zuhörend und dabei entdeckend, was manch einer nicht zu Unrecht glaubt, noch nie vernommen zu haben.

 

Art-Olivers Musik ist durchzogen, mehr zuweilen als sein Sprechen über Musik, von einer strikten Bezüglichkeit aller sie konstituierenden Bestandteile zueinander, aus der Proportionalität und Polymorphie, weiter eine luzide passacagliaartige Variationstechnik emaniert, aber noch mehr: Ein sehr rationaler, komplex konstruktiver, formbildender Umgang mit polytonalem, nicht atonalem und zugleich hochemotionalem harmonischem Grundmaterial ist ihm zu eigen, was auf eine zarte, zerbrechliche Seele verweist. Zudem ist eine solche Musik unsentimental, so radikal frei von Kitsch, jenem als einer Verweigerung der Wirklichkeit, frei von modischen Einsprengseln, frei von ideokratisch-pseudoästhetischen Lehmschichten. Das macht diese Musik so unprätentiös und uneitel wie Art-Oliver Simon selbst als Persönlichkeit erscheint. Diese Emotionalität des Komponierens ist von einer tiefen Melancholie geprägt, sublim, meist verborgen, aber auch zuweilen sehr direkt und fasslich.

 

In seinem monumentalen Streichquartett Passagen – gestört, welches als eines seiner Hauptwerke zu gelten hat, erscheint im 3. Satz, »Der große Wechsel«, in T. 117 eine konsequent gegen das Metrum (4/4-Takt) komponierte ironische Walzerpassage, die sich zugleich selbstgenerativ aus dem musikalischen Kontext ableitet. Sie ist von Thomas Bernhard’schem Sarkasmus, tritt mit schwarzem Humor hervor, fast als exterritoriales Element wahrnehmbar, jedoch frei von Zynismus und von tiefem Schmerz gezeichnet. Art-Oliver Simon ist ein unbestechlicher Außenseiter, widerborstig. Er biedert sich niemals an. Dies hat ihm schon früh unfaire Ausgenzungen des Betriebes beschert. Und gleich Thomas Bernhard beim Schreiben sind seine Gefühle, sein Hader mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen beim Komponieren und Texten die entscheidende Triebfeder. Gleich Jonathan Meese (Diktatur der Kunst) verspürte er über lange Zeit den Drang, diese Realität gleichsam hinauszuschreien. Das alles bestimmende Sujet seines Schaffens erscheint als eine konsequente und schlackenlose »Ästhetik des Widerstandes« (Peter Weiss).

 

Diese Radikalisierung seines Widerstands vollzog sich sowohl chronologisch fortlaufend in seiner Musik als auch im täglichen Miteinander, vergleichbar mit der Komponistin Galina Ustwolskaja in Form einer zuweilen berserkerhaften, alle Konventionen sprengenden, berstenden Unbehaustheit. Doch dies verleitete ihn auch in der späten Phase seines künstlerischen Schaffens, vor seiner lebensgefährlichen Erkrankung niemals zu musikalischen Undiszipliniertheiten. Diese integre, autonom aus innerer Notwendigkeit sich speisende Haltung, niemals ästhetisch »ausrastend«, verleiht der Musik beider, Ustwolskajas wie Simons, ihre urwüchsige Kraft. Beider Komponisten Frühwerk, obschon ähnlich konsequent komponiert, war freilich zahmer, weniger verwundet aufgrund persönlicher Verletzungen, die beide in hohem Maße ertragen mussten. Art-Oliver Simons Streichtrio Fantasie-Variation steht paradigmatisch dafür. Frei und unberührt vom Furor des Alltags zeigt sich Art-Oliver Simons Schaffen. Genau diese verobjektivierende Trennschärfe zwischen Alltags- und Kunstrealität macht diese Musik so groß und bedeutsam.

 

Art-Oliver Simons Musik ist nicht atonal im herkömmlichen Sinne zu nennen, sie ist auf Ganztonschichtungen aufgebaut, die in seinem Spätwerk vom Zeitpunkt seiner Erkrankung an zuweilen offen zutage treten. Das Grundmodell ist ein viertöniger Cluster, der einen Tritonus umschließt. Da sich Art-Oliver Simons Komponieren stets mehrschichtig vollzieht, ist ein »benachbarter« Cluster stets in scharfer Dissonanz, meist strukturell im Abstand einer kleinen Sekunde angelegt. Zwei weitere derartige Gebilde, abgeleitet aus den zwei erstbeschriebenen Ganztonakkorden, zu diesen im Tritonus-Abstand, extrahieren das chromatische Total. Daraus entfaltet Simon das harmonische Grundgerüst seines Komponierens und gibt ihm zugleich die Möglichkeit, den Grad von Kon- oder Dissonanz flexibel zu steuern. Polytonale Melodieführungen, in kontrapunktischem Bezug zueinander, erweitern so rasch, diese eminent klangfarblich bereichernd, die Tonsprache in dissonantere Gefilde. Polymorphe Verschiebungen, nach Simons Ansatz in einer unendlich scheinenden Variationsbreite möglich, als formbildendes Element eingesetzt, eröffnen einen grenzenlosen Kosmos struktureller wie klanglicher Konfigurationen.

Programm

 

Art-Oliver Simon (*1966)

Works for Strings I

 

 

Passagen – gestört für Streichquartett (2008)

1. Spiegelung (für Peter Hacks)

2. Übergang

3. Der große Wechsel

 

Fantasie-Variation für Streichtrio (2010)

 

Polymere (Hommage à Bach) für Streichquartett (2018)

 

Sieben Paraphrasen für Streichquartett (2022)

1. Allegro ma non troppo

2. Allegro

3. Flüchtig huschend (Allegro vivace)

4. Langsam

5. Pizzicato

6. Flüchtig huschend (Allegro vivace 2)

7. Allegro, quasi finale

 

Gesamtspielzeit: 73:42

 

 

NeoQuartet

Karolina Piątkowska-Nowicka, 1. Violine

Paweł Kapica, 2. Violine

Michał Markiewicz, Viola

Krzysztof Pawłowski, Violoncello

 

 

Ersteinspielungen

Infos

Katalognummer: NEOS 12419

EAN: 4260063124198

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