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Bach – Tiensuu – Brass – Pagh-Paan – Katzer: PLUS! – Works for Clarinet Duo and Accordion

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Artikelnummer: NEOS 22003 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: Juni 25, 2021

Infotext:

PLUS! · WERKE FÜR KLARINETTENDUO UND AKKORDEON

Im Repertoire des Klarinettenduos Beate Zelinsky und David Smeyers macht das Zusammenwirken mit anderen Solisten oder Ensembleformationen einen wichtigen Teil aus. Dabei ist die Kombination mit dem Akkordeon von besonderem Reiz: Das Instrument kann mittels Registrierung mit dem Klang der Klarinetten zu (fast) vollkommener Einheit verschmelzen, es kann aber auch aus diesem Klangverbund deutlich wahrnehmbar heraustreten.

Jukka Tiensuus Komposition Plus IV ist ursprünglich für Klarinette, Akkordeon und Violoncello konzipiert; die Fassung mit Bassklarinette anstelle des Cellos wurde von David Smeyers in Absprache mit dem Komponisten eingerichtet. Das Klangbild wird dadurch geschlossener, und dennoch bleibt die Musik – aufgrund der feinen Differenzen von Timbre und Lage – vollkommen transparent.

Das Material ist zunächst begrenzt – Terz- und Sekundmotive, Repetitionen, Oktavsprünge. Die Notation deutet auf ein Unisono hin – tatsächlich aber sind die Ausführenden gehalten, die Musik in einer Art improvisiertem Kanon vorzutragen; Ziffern in den Noten geben die Einsatzfolge vor. Diese wechselt abschnittsweise, getrennt durch Generalpausen: eine Art auskomponierte Selbstorganisation des Ensembles.

Dieses »Vorspiel« nimmt etwa ein Viertel der Komposition in Anspruch, danach tritt die – nun wieder »konventionell« notierte – Partitur in ihre angestammte Rolle, das Zusammenspiel der Instrumente zu regeln. Dadurch erst gewinnt die Musik Freiheit zu bruchloser Entfaltung, sie gewinnt an Kohärenz, der melodische Ambitus erweitert sich, in der Akkordeonstimme kommen Akkorde und Cluster ins Spiel, Synkopen, Triolen, Quintolen verleihen dem Ganzen bei von Anfang bis Ende durchgehaltenem 4/4-Takt rhythmische Lebendigkeit und sogar einen gewissen Swing. Das Ganze mündet in eine ekstatische Stretta in atemlos jagender Sechzehntelbewegung. Erst in den letzten rund 30 Takten nimmt die Dichte ab, mit einem kurzen, gleichsam natürlichen Verlöschen endet die Musik.

Die Komposition Songs and Melodies von Nikolaus Brass wurde für Das Klarinettenduo und Krisztián Palágyi geschrieben. Sie verweist schon im Titel auf den Fundus kollektiv geteilter musikalischer Überlieferung, wobei die »Melodie« als horizontale Linie gleichsam der Urstoff ist, die im fertigen Liedsatz durch die Vertikale, die Harmonie, ergänzt wird. Diese beiden Dimensionen entsprechen dem verwendeten Instrumentarium: Klarinetten als Melodieinstrumente, Akkordeon eben als Akkord-Instrument (in harmonischer und rhythmischer Funktion). Jenseits dessen geht es dem Komponisten aber um Elementareres als tradierte Melodiemodelle: Es ist das »Melische« schlechthin, noch vor der Verfestigung in Melodie und (tonale) Harmonie. Und dazu gehören dann auch die Mikrotöne, die ein zentrales Element der Komposition sind.
Die beständige Abweichung von der »Normgröße« der Intervalle im temperierten System, das Spiel mit »reinen«, »temperierten« und »verstimmten« Intervallen und ihrer Überlagerung bewirkt eine Verunsicherung beim Hörer, die nun wiederum den Anschluss an bestimmte tradierte Rezeptionsmuster erlaubt. Nikolaus Brass spricht in diesem Zusammenhang von der »physikalischen Schwingungskurve«, die durch das Hören in eine »körperlich-geistige Schwingungskurve« verwandelt wird und sich dadurch mit dem »Fundus unserer Assoziationen« verbinden kann.
Beispielsweise (und wirklich nur beispielsweise) wäre eine nächtliche, (alp)traumhafte Szenerie vorstellbar. Die Satzüberschriften geben entsprechende Hinweise: Schattenhaft – Huschend – Dunkel – Schimmernd. Dabei greift der Komponist durchaus auf Topoi des »Unheimlichen« in der Musik zurück: die plötzliche Vereinzelung eines Instrumentes (es gibt Soli einer Klarinette und des Akkordeons), die Eindunkelung des Klanges durch den Einsatz eines Bassetthorns, schreckhafte Fortissimo-Akzente, verfremdende Spaltklänge in einer »cantando« vorzutragenden Klarinetten-Passage … nichts davon vordergründig oder eindeutig, sondern leise irritierend.
Fortissimo, mit einem geradezu schreienden, von mikrotonalen Schwebungen noch angeschärften Terzklang beginnt der vorletzte Satz (Grell, Nachbilder): Und man ist versucht, an den Hahnenschrei zu denken, der den Schläfer weckt und verwirrt ins helle Tageslicht blinzeln lässt. Nur allmählich schwinden die Nachwirkungen des Traumerlebnisses und werden im Farewell genannten Schlussabschnitt endgültig verabschiedet: In gegenstrebigen Laufbewegungen, einer klassischen musikalischen Repräsentanz des Windes, verweht das nächtliche Erlebnis vollends.

Ta-Ryong bezeichnet in der traditionellen koreanischen Musik »das Wiederholen eines Grundrhythmus in einem immer wiederkehrenden Vierer- oder Sechsermetrum« (Younghi Pagh-Paan). »Er leiert ein Ta-Ryong«: So sage man, wenn sich jemand beständig wiederholt. Indessen, so die Komponistin, sei gerade die »nahezu unbegrenzte Variierungsfähigkeit dieser immer gleichen Grundlage« der Reiz, anzutreffen vor allem in der koreanischen Bauernmusik Nong-Ak. Damit wird ein assoziativer Zusammenhang aufgerufen, der von den Kindheitserinnerungen der Komponistin (die Märkte, bei denen neben den Musikern auch Akrobaten, Tänzer und Schauspieler auftraten) bis zum widerständigen Potential des Nong-Ak reicht. Denn diese Musik aus dem Volk und für das Volk (Younghi Pagh-Paan beschreibt sie als »spontanes Musikmachen in Gruppen«) wurde auch von den Studenten im Widerstand gegen die südkoreanische Militärdiktatur der 1960er und 1970er Jahre aufgegriffen. Auch daran will die Komponistin mit ihrer bisher sechs Stücke umfassenden Werkreihe Ta-Ryong erinnern.
Ta-Ryong V wurde 1995 für zwei Klarinetten und die japanische Mundorgel Shô konzipiert, alternativ für Akkordeon. Eine naheliegende Wahl, nicht nur des ähnlichen Klanges wegen – beide Instrumente sind in der Lage, sehr lange Klangbänder zu erzeugen. Das trotz vorgeschriebenem 6/8-Takt sehr gemessene Tempo der Musik folgt dem allgemeinen ostasiatischen Prinzip, dass jeder Einzelton ein Eigenleben hat und nicht erst aus dem jeweiligen Zusammenhang seine Bedeutung empfängt. Demgemäß sind die melodischen Bewegungen überwiegend als Umspielungen oder Erweiterungen eines Einzeltones zu verstehen. In Erinnerung an die zwei Schlagzeuger, die in der Tradition der koreanischen Bauernmusik eine Musikergruppe anführten, bedienen die Ausführenden von Ta-Ryong V noch zusätzliche Perkussionsinstrumente.
Ihre Musik baue zwar auf koreanischem Musikempfinden auf, notierte die Komponistin 1988, versuche aber, »die Entwicklung der europäischen Kunstmusik unseres Jahrhunderts so genau wie möglich zu reflektieren«. Das geschieht durch die außerordentlich fein und genau ausgearbeitete Rhythmik, die einige Male auch das zugrundeliegende Sechsermetrum (also das eigentliche Ta-Ryong) durchbricht.

Georg Katzer hat seine Komposition drängend, zögernd, entschwindend aus dem Jahr 2007 ursprünglich für Klarinette, Violoncello und Akkordeon bestimmt. Die Einrichtung des sehr instrumentenspezifisch konzipierten Celloparts für die Bassklarinette nahm Katzer in Zusammenarbeit mit David Smeyers vor; sie ist eine seiner letzten vollendeten Arbeiten. Die Vielfalt und der rasche Wechsel der Klangfarben, Spieltechniken, Artikulationsweisen ist ein Charakteristikum der Komposition und hat unmittelbar mit dem Titel zu tun. Flageoletts, Triller und Tremoli, extreme Lagen, extreme Dynamik, vieltönige Akkorde und Cluster, Multiphonics (auch mit Triller), lange und kurze Glissandi, Mikrotöne, häufige Taktwechsel, aber auch Passagen ohne Metrum: Der Hörer wird mit einer Überfülle an Information konfrontiert (die Vortragsbezeichnung lautet »hyperaktiv«), die Ausführenden hingegen mit einer ebenso schwierigen wie dankbaren Aufgabe. Denn es ist auch ein effektvolles, hochvirtuoses Musikstück.
Und doch vermittelt die Musik ein Unbehagen: Das extreme Aktivitätslevel des Anfangs (drängend), das keine Entwicklung, sondern ineinander verhakte Bewegungsmuster und rasenden Stillstand produziert (zahlreiche Abschnitte der Komposition werden wiederholt, teils sogar mehrfach, ohne dass der Hörer dessen gewahr wird); die plötzlichen Einbrüche erschöpfter Ruhe und das ebenso verzweifelte wie vergebliche Bemühen, zur Ereignisdichte und Energie des Anfangs zurückzukehren (zögernd); das allmähliche Zerfallen des Zusammenhangs (entschwindend). Man kann darin zeitdiagnostische Qualitäten erkennen – etwa im Hinblick auf die digitale Beschleunigung der Welt. Wobei Georg Katzer vor solchen Konkretionen warnte (»Musik ist in erster Linie Musik«): Es ließe sich vielleicht dennoch feststellen, dass dieses Stück zumindest mit einem gegenwärtigen Lebensgefühl sehr stark korreliert.

Rahmend, trennend und zugleich verbindend, begleiten fünf der Zweistimmigen Inventionen von Johann Sebastian Bach die vier neuen Werke, und zwar mit einer hinzukomponierten dritten Stimme. Vier dieser Bearbeitungen stammen aus der Schule des Triospiels, die Max Reger und Karl Straube jungen Organisten zugedacht hatten, um die Unabhängigkeit der beiden Hände und der Füße zu üben. Hier ist jeweils zwischen die beiden Themeneinsätze des Originals eine dritte, mittlere Stimme eingefügt. In der Ausführung mit zwei Klarinetten und Akkordeon gewinnt die sehr dichte Polyphonie auf verblüffende Weise an Durchhörbarkeit. Anders verfährt Helmut Lachenmann in seiner Bearbeitung der d-Moll-Invention: Er öffnet den Satz, indem er eine Oberstimme hinzufügt, die auch erst nach den beiden Themeneinsätzen des Originals einsetzt, und bewahrt so die Transparenz der Musik.

Ingo Dorfmüller

Programm:

Johann Sebastian Bach (1685–1750)
[01] Two-Part Invention in C major, BWV 772 01:31
with a third part by Max Reger (1873–1916) / Karl Straube (1873–1950)
for clarinet, bass clarinet and accordion

Jukka Tiensuu (*1948)
[02] Plus IV for clarinet, bass clarinet and accordion (1992) 11:11

Johann Sebastian Bach
[03] Two-Part Invention in E flat major, BWV 776 01:44
with a third part by Max Reger / Karl Straube
for clarinet, bass clarinet and accordion

Nikolaus Brass (*1949)
Songs and Melodies for two clarinets, basset horn (2.) and accordion (2019) 17:27
[04] 1. Introduktion 03:11
[05] 2. Schattenhaft 01:21
[06] 3. Huschend 01:44
[07] 4. Dunkel 04:39
[08] 5. Schimmernd 01:37
[09] 6. Grell, Nachbilder 03:08
[10] 7. Farewell 01:47

Johann Sebastian Bach
[11] Two-Part Invention in d minor, BWV 775 01:06
with a third part by Helmut Lachenmann (*1935)
for clarinet, bass clarinet and accordion

Younghi Pagh-Paan (*1945)
[12] Ta-Ryong V (1995) 12:16
for two clarinets (with shell chimes) and accordion (with woodblocks)

Johann Sebastian Bach
[13] Two-Part Invention in a minor, BWV 784 01:22
with a third part by Max Reger / Karl Straube
for clarinet, bass clarinet and accordion

Georg Katzer (1935–2019)
[14] drängend, zögernd, entschwindend (2007/2019) 15:37
for clarinet, bass clarinet and accordion

Johann Sebastian Bach
[14] Two-Part in F major, BWV 779 01:02
with a third part by Max Reger / Karl Straube
for clarinet, bass clarinet and accordion

total playing time: 63:23

Das Klarinettenduo Beate Zelinsky | David Smeyers
Beate Zelinsky: B flat clarinet and A clarinet (Pagh-Paan)
David Smeyers: B flat clarinet, basset horn (Brass) and bass clarinet

Krisztián Palágyi, accordion

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