César Franck: Pièces pour harmonium

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Artikelnummer: NEOS 32001 Kategorie:
Veröffentlicht am: Mai 21, 2021

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CÉSAR FRANCK – VOM HARMONIUM ZUM AKKORDEON
Pièces pour harmonium (1890), erschienen unter dem Titel L’Organiste (1892),
übertragen auf das Akkordeon (Doris Bertschinger, 2019)

Fünf Zyklen zu je sieben Stücken in den Tonarten C bis E in chromatisch aufsteigender Reihenfolge

 

Wer die großen Werke der großen Meister kennt, hat zumeist keine Ahnung von den Miniaturen oder Neben- und Gelegenheitswerken, die sie auch produziert haben. Und so kann es geschehen, dass der Sibelius-Enthusiast nach der Erfahrung der Symphonien von den Klavierstücken enttäuscht ist und der Beethoven-Freund sich über dessen Bagatellen wundert, auch wenn damit noch nichts Grundsätzliches über die Qualität ausgesagt ist. Ähnlich könnte es hier so manchem mit César Franck gehen, der mit seiner einzigen Symphonie und seinen herrlichen Variations symphoniques, dem gewaltigen Klavierquartett, der Violinsonate (seinem bis heute erfolgreichsten Werk) und dem Streichquartett unvergängliche Meisterwerke herausragender Statur geschaffen hat. Auch unter seiner Klavier- und Orgelmusik finden sich imposante Werke großen Formats. Doch wer kennt seinen Miniaturenzyklus L’Organiste für Orgel oder Harmonium, dieses offenkundig als Ganzes groß geplante, unvollendete Spätwerk?

 

Der lange Weg zur vollen Entfaltung

 

César Franck wurde im Dezember 1822 im damals niederländischen Lüttich geboren, das dann ab 1830 Teil des neugegründeten belgischen Staates unter Leopold I. wurde, bei welchem Franck als 12-Jähriger vorspielte. Francks Mutter war Deutsche, was in Zeiten, als der rassischen Herkunft besondere Bedeutung beigemessen wurde, zu einer heute grotesk anmutenden Vereinnahmung seines Schaffens für deutsche Zwecke führen sollte (siehe die 1942 erschienene Biographie »Cäsar Franck« von Wilhelm Mohr, die bis heute die Hauptinformationsquelle zu Franck in deutscher Sprache bildet). Francks Vater Nicolas-Joseph träumte als Privatier davon, dass seine beiden Söhne, César (am Klavier) und Joseph (auf der Geige), Virtuosen-Karrieren à la Liszt oder Vieuxtemps machen sollten, wofür die Ausbildung in Lüttich wenig geeignet war. 1835 erfolgte die Übersiedlung nach Paris, wo César Franck zehn Monate lang, bis zu dessen Tod, Kontrapunktschüler des exquisiten Könners, legendären Fugen-Experimentators und Beethoven-Zeitgenossen Anton Reicha (1770–1836) war und Klavier bei Pierre Zimmerman studierte. Später erlernte er zusätzlich das Orgelspiel bei François Benoist und erwarb sich schnell hohes Können als Improvisator. 1841 komponierte er seine frühen Klaviertrios, von welchen das erste ein nachhaltiger Erfolg wurde. Doch 1842 zog die Franck-Familie zurück nach Belgien, wo César Franz Liszt kennenlernte, der ihm große Wertschätzung entgegenbrachte. 1844 gab César den väterlichen Plan auf, ein renommierter reisender Virtuose zu werden, überwarf sich mit seinem Vater und ging endgültig nach Paris. Das wichtigste Werk der frühen Pariser Zeit ist das 1846 vollendete Oratorium Ruth. Er heiratete 1848 seine Klavierschülerin Félicité Saillot, nachdem er Zweiter Organist in Notre-Dame-de-Lorrette geworden war. 1853 stieg er zum Hauptorganisten an Saint-Jean-Saint-François-au-Marais auf, wo ihm eine wunderbare neue Orgel des Großmeisters Aristide Cavaillé-Coll zur Verfügung stand. Franck erwarb sich nun überregionalen Ruhm als phänomenaler Improvisator, was auch dazu führte, dass er später immer wieder mit seinem Zeitgenossen Anton Bruckner verglichen wurde. Cavaillé-Coll schätzte Franck über alle Maßen und bat ihn regelmäßig, seine neuen Orgeln in ganz Frankreich vorzuführen.

1858 wurde Franck Titularorganist an Sainte-Clotilde und bekleidete diese Position bis zu seinem Tod im November 1890. Diese Orgel galt als die beste aus Cavaillé-Colls Werkstatt, und hier konnte Franck seinen Stil zu voller Reife bringen. Seine bedeutendsten Orgelwerke sind die 6 Pièces op. 16–21 (1860–62, darunter Prélude, Fugue et Variations op. 18), die 3 Pièces von 1878 (darunter die Fantaisie héroïque) und die 3 Chorals von 1890.

1872 wurde Franck als Nachfolger seines einstigen Lehrers Benoist zum Orgelprofessor am Pariser Conservatoire berufen, wofür er die französische Staatsbürgerschaft annahm. Er übte auf die Komponisten der jüngeren Generation mit seiner Seriosität, seinem Können und der inspirierten Anmut seines Schaffens immensen Einfluss aus. Zu seinen Schülern zählen außer seinem selbsterklärten Bannerträger Vincent d’Indy, dem Begründer der Schola Cantorum, so bedeutende Meister wie Ernest Chausson, Gabriel Pierné, Henri Duparc, Guy Ropartz, Maurice Emmanuel, Guillaume Lekeu, Louis Vierne oder Charles Tournemire (die letzteren beiden wurden zu führenden Exponenten der französischen Orgelschule der anbrechenden Moderne). Nun entstanden auch jene Werke, auf welchen sein zeitloser Ruhm gründet: die Poème-Symphonie Rédemption (1872), die Tondichtung Les Éolides (1876), das große Oratorium Les Béatitudes (1869–79), das Klavierquintett (1879), die Tondichtung Le Chasseur maudit (1882), die Tondichtung Les Djinns für Klavier und Orchester und Prélude, Choral et Fugue für Klavier solo (1884), die Oper Hulda (1882–85), die Variations symphoniques für Klavier und Orchester (1885), die Sonate für Violine und Klavier in A-Dur für Eugène Ysaÿe (1886), Prélude, Aria et Finale für Klavier solo, die Poème-Symphonie Psyché und die Symphonie in d-moll (1886–88) sowie das Streichquartett in D-Dur (1889).

 

Die Pièces pour harmonium

 

Bereits 1858–66 hatte Franck zunächst ein Offertoire und 5 Pièces für Harmonium, dann 44 weitere Petits pièces für Orgel oder Harmonium komponiert, über die sein Sohn Georges berichtete, der Vater habe sie für einen langjährigen Schüler, der nun als Dorforganist wirkte, zur Benutzung im Gottesdienst geschrieben. Diese erst posthum veröffentlichten Stücke werden aufgrund eines obligaten Pedals und diversen Angaben zur Registrierung nach heutigem Wissensstand denn auch der Orgel zugeordnet. Eindeutig für das Harmonium komponiert sind hingegen das Offertoire sur un Noël Breton und Quasi Marcia aus dem Jahr 1867 bzw. 1868.

Danach vergingen also mehr als zwei Jahrzehnte, bis Franck in den letzten zwei Jahren seines Lebens mit einem Projekt für Harmonium begann, das nur aufgrund seines Todes unvollendet blieb: ein Zyklus von Harmoniumstücken, der zwölf Suiten à 7 Stücke auf allen zwölf Tonstufen umfassen sollte. Die posthume Veröffentlichung des unvollendeten Zyklus von 59 Stücken, die entweder auf der Orgel oder auf dem Harmonium vorzutragen sind, trägt den Titel L’Organiste, Pièces pour Orgue-Harmonium par César Franck. Die Tonartenfolge der 7er-Zyklen beginnt halbtönig aufsteigend in C-Dur und c-moll, gefolgt von Des-Dur und cis-moll, D-Dur und d-moll, Es-Dur und es-moll, E-Dur und e-moll, F-Dur und f-moll, fis-moll und Ges-Dur sowie G-Dur und g-moll, umfasst also die knappe Mehrheit der Tonarten und endet mit dem unvollendeten Zyklus von drei Stücken in As-Dur auf der kleinen Sexte. Dass Franck das Werk nicht vollenden konnte, ist eines von weiteren guten Argumenten gegen die Notwendigkeit, den Zyklus komplett vorzutragen, da ein geschlossener Eindruck ohnehin nicht zu erreichen ist. Alle 7er-Zyklen gleichen einander darin, dass auf sechs niedliche Miniaturen ein umfangreicher ausgeführtes Schlussstück folgt, das kompositorisch anspruchsvoller und bezüglich der Formung individueller ist. In der Regel ist zwischen das sechste Stück und das Finale ein kurzes »Amen« von 3–5 Takten eingefügt, nicht jedoch im 3. Zyklus in D. Obwohl die Musik den Franck-Stil in maximaler Einfachheit repräsentiert, spricht doch aus jeder dieser Miniaturen die unverkennbare Eigenart von César Franck, gerade auch hinsichtlich der Synkopierungen der Melodik und der mit größter Eleganz die Grundstufen variierenden, umspielenden und verrückenden Harmonik. Die dynamischen und charakteristischen Kontraste reizen, was die bescheidenen Möglichkeiten des Instruments mit seinen weichen, warmen Klangfarben angeht, das Maximum des Möglichen aus.

 

Das Akkordeon ist von den großen Meistern bis weit ins 20. Jahrhundert hinein höchst stiefmütterlich mit Kompositionen bedacht worden, und so lag es nahe, diesen Zyklus auf das Instrument zu übertragen. Natürlich sind die Klangfarben schärfer und der ganze Charakter ist extrovertierter als auf dem Harmonium, doch das Wesentliche kann sich bei feinfühliger und stilbewusster Ausführung übertragen. Aufgrund des geringeren Tonumfangs in der Tiefe müssen einige Stimmführungen hochoktaviert werden, was jedoch den grundlegenden Eindruck nicht verändert. Und die typisch Francksche Symbiose von sakraler Mystik und lieblich eingängiger, manchmal das Chanson-hafte, fast Clochard-artig charmant Volkstümliche berührend, wird hier sogar noch unterstrichen.

Doris Bertschinger merkt dazu an:

»Bei meiner Interpretation ist mir wichtig, Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede der beiden Instrumente Harmonium und Akkordeon zu beachten und aufzuzeigen.
Auf der einen Seite sind da die identische Tonerzeugung und die sehr ähnlichen klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten, auf der anderen Seite steht das Harmonium mit nur einem, dafür aber Register-geteilten Manual dem zweimanualigen Akkordeon gegenüber. Auf Letzterem kann mit derselben Hand nur auf einem Manual gespielt werden, wohingegen auf dem Harmonium durchaus mit derselben Hand unterhalb und oberhalb der Teilung gespielt werden kann, woraus sich spieltechnisch andere Möglichkeiten ergeben.
Unterschiede gibt es auch in den Möglichkeiten der Registrierung sowie beim Tonumfang. Das Fehlen des Kontra-Es, D, Cis und C beim Akkordeon verunmöglicht zum Beispiel eine tonhöhengerechte Interpretation bei mehreren Sätzen. Wobei ich in einigen Fällen auch aus klanglichen Aspekten bewusst oktaviert spiele. Eine weitere Herausforderung ist die Umsetzung der Tempoangaben. Da die einzelnen Pièces teilweise sehr kurz sind, ist es mir wichtig, die Zyklen quasi als Suite zu spielen.
Bereits während meines Studiums vermochten mich die Pièces pour harmonium, wie Franck selbst sie nannte, und deren Interpretation auf dem Akkordeon zu begeistern.
Mit der vorliegenden Einspielung möchte ich sowohl César Francks Werk sowie auch das klassische Akkordeon und seine Möglichkeiten einem breiten Publikum bekannt
machen.«

Christoph Schlüren, Januar 2021

Programm:

César Franck (1822–1890)
Pièces pour Harmonium

Sept pièces en ut majeur et ut mineur (1890) 11:48

[01] N° 1 Poco allegretto 01:26
[02] N° 2 Andantino 01:01
[03] N° 3 Poco lento 01:52
[04] N° 4 Maestoso 01:04
[05] N° 5 Poco lento 00:49
[06] N° 6 Poco allegro – AMEN 01:07
[07] N° 7 OFFERTOIRE, Andantino 04:29

Sept pièces en ré bemol majeur et ut dièse mineur (1890) 09:37

[08] N° 1 Andante 01:00
[09] N° 2 Andantino 00:41
[10] N° 3 Poco andantino 01:05
[11] N° 4 Poco allegro 00:34
[12] N° 5 Lento 01:46
[13] N° 6 Andantino poco mosso – AMEN 01:02
[14] N° 7 Andante – AMEN 03:29

Sept pièces en ré majeur et ré mineur Pour le temps de Noël (1890) 12:44

[15] N° 1 Quasi allegro 00:52
[16] N° 2 CHANT DE LA CREUSE, Trés lent 01:44
[17] N° 3 Quasi andante 01:38
[18] N° 4 VIEUX NOËL, Andantino 01:17
[19] N° 5 Maestoso 01:19
[20] N° 6 VIEUX NOËL, Maestoso 01:23
[21] N° 7 SORTIE OU OFFERTOIRE, Allegro – AMEN 04:31

Sept pièces en mi bémol majeur et mi bémol mineur (1890) 09:47

[22] N° 1 Andantino poco allegretto 00:59
[23] N° 2 Quasi lento 01:01
[24] N° 3 Molto moderato 01:20
[25] N° 4 Allegretto 00:39
[26] N° 5 Poco allegro 00:46
[27] N° 6 Andantino – AMEN 01:22
[28] N° 7 OFFERTOIRE, Andantino poco allegretto 03:40

Sept pièces en mi mineur et mi majeur (1890) 12:09

[29] N° 1 Andantino quasi allegretto 01:24
[30] N° 2 Moderato 01:20
[31] N° 3 PRIÈRE, Quasi lento 01:33
[32] N° 4 Non troppo lento 01:05
[33] N° 5 Allegretto 00:58
[34] N° 6 Poco allegretto – AMEN 01:02
[35] N° 7 OFFERTOIRE OU COMMUNION, Poco lento 04:47

Gesamtspielzeit: 56:41

Doris Bertschinger, Akkordeon

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