Ein Geigenton ist kein rauer Fels, auch kein Vogel, der über dem Schnee krächzt, und auch der Hauch aus einer Flöte ist nicht der Wind, der über den Sami-Nationalpark im äußersten Norden Skandinaviens weht. Die Klänge in diesen fünf HörLandschaften sind weit davon entfernt, Wirklichkeiten naturalistisch nachzubilden. Und doch führen sie in den Zustand einer hörenden »Betrachtung«, um im Bild zu bleiben. Sie verwandeln Landschaftserfahrungen in Musik, die sich – und das ist besonders – wie eine Landschaft erfahren lässt.
Sämtliche Inspirationsorte sind in den Titeln vermerkt. Konkret wird die Übersetzung der tatsächlich gemachten Erfahrungen in Musik aber nie. Dennoch vermittelt sich etwas Wesentliches: Farben, Rhythmen, Topographien, Tempi und akustische Ereignisdichten. Fast immer ist das Material sehr begrenzt, fast könnte man sagen karg, aber vielleicht sind das genau die Landschaften, die bei Dorothee Schabert die tiefsten Eindrücke hinterlassen. Alle fünf Kompositionen verweisen auf einsame Gegenden: auf den nördlich des Polarkreises gelegenen Nationalpark der Sami, auf ein Tal im französischen Massif Central oder auf einen Aufenthalt im ländlichen Sizilien. Den gewählten Motiven ist gemeinsam, dass sie nicht durch eine Überfülle an Informationen überwältigen, sondern im Gegenteil durch die Konzentration auf wenige, dafür elementare Elemente. Man kann sich in Ruhe umhören in dieser Musik. Die Materialien werden Takt für Takt vertrauter, während die leicht variierte Wiederholung Raum für eigenen Gedanken, Empfindungen und Bilder lässt.
Die Komponistin und Autorin Dorothee Schabert studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik (Staatsexamen 1977) in Freiburg sowie Musik an der Hochschule der Künste Berlin: Diplom-Tonmeister plus kompositorische Fächer (bis 1985).
Von 1987 bis 2017 war Schabert als Tonmeisterin zunächst für den SWF in Tübingen, ab 1992 für SWR2 Musik in Baden-Baden verantwortlich für die musikalische Leitung von Produktionen für Rundfunk und CDs (Kammermusik und vor allem zeitgenössische Kompositionen) mit dem SWR Symphonieorchester unter namhaften Dirigenten und bekannten Solisten. Mit dem SWR Experimentalstudio und dessen früherem Leiter André Richard produzierte sie die späten elektro-akustischen Werke von Luigi Nono für SACD und Rundfunk.
Parallel entstanden Kompositionen für Instrumente und Stimmen in diversen Besetzungen sowie akusmatische Werke und Klanginstallationen – gerne in Kooperation mit Künstler:innen anderer Kunstsparten. Ihre Werke wurden u. a. in Karlsruhe, Freiburg, Köln, Darmstadt, Rom, New York und Berlin aufgeführt.