Programm:
Georg Friedrich Haas (*1953)
[01] 40:13 Hyperion (2006)
für Licht und Orchester
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Rupert Huber, Leitung
rosalie, Lichtinstallation
Jörg Widmann (*1973)
[02] 13:40 Zweites Labyrinth (2006)
für Orchestergruppen
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Hans Zender, Leitung
gesamt 53:53
Pressestimmen:
03/2008
11.12.2007
Licht Spiel Musik
Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert:
Booklet:
Die Donaueschinger Musiktage bieten als eines der wenigen Festivals ein alljährliches Experimentierfeld mit großen Besetzungen. Komponisten haben nur selten die Möglichkeit, Innovatives zu erproben in einer Orchesterlandschaft, die trotz aller Subventionierungen marktwirtschaftlichen Zwängen unterworfen ist. Ein Glücksfall ist somit das hauseigene Orchester des SWR, in dessen Geschichte das Neue Tradition hat. Aufträge für das abschließende Orchesterkonzert der Musiktage 2006 ergingen unter anderem an Jörg Widmann und Georg Friedrich Haas; ein Mitschnitt des Konzertes ist als zweite Folge der Donaueschingen-Dokumentation 2006 bei NEOS erschienen.
Jörg Widmanns ‘Zweites Labyrinth’, das von den Musikern des Orchesters den Orchesterpreis des SWR erhielt, ist ein solide gearbeitetes, gelegentlich jedoch etwas uninspiriert wirkendes Werk, das versucht, ein angestaubtes Raumklangmodell wieder zum Leben zu erwecken. Das Orchester ist um das Publikum herum disponiert und umhüllt den Zuhörer mit einer Schicht aus subtil ausgearbeiteten Klängen. Widmanns Komposition stellt sich als eine Art Negativbild ihrer Substanz dar, indem Linearität bewusst vermieden wird, der ‘Faden in seiner Abwesenheit gedacht werden’ soll. Das Ausreizen eines Raumklangmodells allein garantiert jedoch noch keine musikalische Stringenz und so bleibt das ‘Zweite Labyrinth’ doch eher ein Arbeitstitel von Musik.
Georg Friedrich Haas’ ‘Konzert für Licht und Orchester’ ist wesentlich innovativer konzipiert und bot dem Publikum zum Abschluss der Musiktage einen zumindest wegen seiner Ereignishaftigkeit bleibenden Eindruck. Zusammen mit der Künstlerin rosalie hat Haas ein Konzept erarbeitet, bei dem die Musiker des Orchesters ohne Dirigenten spielen müssen, da der Ablauf ihrer Stimmen allein durch Lichtbefehle strukturiert wird. Einige tausend lichtdurchlässige Plastikeimer waren an den Wänden der Baarsporthalle angebracht, die Ort des Abschlusskonzerts war. Im dunklen Raum, in der das Publikum sich frei umherbewegen konnte, entstand eine Lichtchoreographie, deren Muster Leitfaden für die in der Halle positionierten Musikergruppen waren.
Georg Friedrich Haas und rosalie haben so ein Konzept des Hörens entworfen, bei dem Klänge durch den Raum wandern und vom Publikum ganz unterschiedlich aufgenommen werden, je nachdem, wo der Hörer steht, wie er sich bewegt, welches farbige Licht gerade die Rezeption verändert. Der synästhetische Gedanke des Werkes ist durchaus ausbaufähig und bedenkenswert.
Ob der Grundgedanke von ‘Hyperion’ hier jedoch aufgegangen ist, bleibt fraglich. Natürlich finden sich in Haas’ Partitur die fein ausgehörten mikrotonalen Felder, ein schwebungsreicher Klang, ein ganz besonders charakteristisches Spiel der Obertöne. Viele Feinheiten des Stückes schienen jedoch in einer Wucht von Klängen unterdrückt, mangels Steuerung durch einen Dirigenten, der die Balance besser hätte steuern können. War die ‘Lichtmaschine’ einmal in Gang gesetzt, gab es kein Zurück mehr, das Ergebnis lag somit in der Willkür oder Unsicherheit des einzelnen Musikers angesichts zahlreicher, discoähnlicher Lichtorgelsignale: in diesem Fall entstand ein recht undifferenzierter fortissimo-Brei.
Aber auch das gehört zu Donaueschingen: das vermeintliche Scheitern einer Idee, ein Scheitern, dass sich als sehr viel fruchtbarer erweisen kann als ein erster, viel umjubelter Erfolg. Der Eindruck dieses Prozesses bleibt dem Hörer dieser CD allerdings verwehrt: zwar ist der Klang sehr gut verräumlicht, das Erlebnis des Zusammenspiels aus Licht und Musik muss jedoch in der rein auditiven Fixierung ausbleiben. Für derlei künstlerische Visionen ist das Medium der Schallplatte nicht mehr ausreichend.
Als reine Dokumentation des Festivals hat diese Aufnahme durchaus ihren Wert; als Nachvollzug besonders des Werkes von Georg Friedrich Haas wirkt sie jedoch wie die Photographie einer besonders raffinierten kulinarischen Komposition: sieht hübsch aus, schmeckt aber nach nichts.
Paul Hübner
Diverdi boletín 11/12 2007