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Stefan Wolpe: Lieder – Battle Piece

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Artikelnummer: NEOS 10719 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: Februar 1, 2008

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Der Jahreswechsel 1929/1930 markiert im Leben Stefan Wolpes einen Bruch: Nach langen Jahren und vielen Versuchen, seinen Platz im avantgardistischen Kulturleben der Weimarer Republik zu finden, wendet er sich um diese Zeit endgültig der Arbeit als politischer Komponist zu und engagiert sich intensiv im Bereich der Arbeitermusik und des Agitprop.

Ohne seine, an der freien Atonalität ausgerichteten musikästhetischen Vorstellungen aufzugeben, machte es die drohende nationalsozialistische Gewaltherrschaft für den jüdischen Avantgardemusiker notwendig, auch musikalisch auf diese Bedrohung der menschlichen Freiheit zu reagieren.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges entstehen so verschiedene Lieder und Instrumentalstücke, die die besonderen Lebensumstände des Komponisten spiegeln und damit seine künstlerische Entwicklung dokumentieren. Diese entscheidende Phase im Musikschaffen Stefan Wolpes – sein Wandel vom Berliner Avantgardemusiker zum wegweisenden Mentor der Neuen Musik in den Vereinigten Staaten – wird in der vorliegenden CD-Auswahl präsentiert.

In An Anna Blume für Klavier und Musikal-Clown, dem dritten Teil eines Opernprojektes op. 5, vertonte Wolpe 1929 das berühmte Gedicht des Merzkünstlers Kurt Schwitters. Musikalisch wie ästhetisch ist diese späte Hinwendung zum Dadaismus fast als Apologie auf die ästhetische Experimentierlust der 1920er Jahre zu verstehen, denn wie kaum ein anderes Gedicht ist Schwitters‘ frühe dichterische Collage zum Symbol seiner Zeit geworden.

Im Kontext des Wolpe’schen Œuvres findet sich hier ein erster konsequenter Kulminationspunkt seiner künstlerischen Arbeit, in dem die ästhetischen Einflüsse aus seiner Zeit als Mitglied der Novembergruppe, Musiker am Bauhaus und Filmmusiker, aber auch als Schüler Ferruccio Busonis und Arnold Schönbergs zusammenkommen.

Konsequent entwickelt Wolpe in An Anna Blume aus dem an den Anfang gestellten zwölftönigen Material (Sechsklang, Viertonmotiv, Septklang) eine klangliche und melodische Textur, die sich auch die (Um-)Wertungsprinzipien der Schwitters’schen Merzkunst zu Eigen macht.

Fast zeitgleich tritt nun an die Stelle der künstlerischen Experimente auch die Beschäftigung mit politischen Texten: Während die Lieder nach Gedichten von Erich Kästner für Aufführungen im Umkreis des Berliner politischen Kabaretts »Anti« geschrieben wurden, zeigt eine Komposition wie Decret No. 2: An die Armee der Künstler op. 7 nach einem Text von Wladimir Majakowski eine musikalische Struktur, die durchaus mit der vollchromatischen und rhythmisch komplexen Schreibweise des Opernprojektes vergleichbar ist und damit weit über die einfachen Strukturen der Arbeitermusik dieser Zeit hinausgeht.

Daneben entsteht auch »einfache« Agitpropmusik, wie die Lieder zu Gedichten von Walter Mehring und Erich Weinert, die Wolpe neben Hanns Eisler zu dem bekanntesten Arbeiterlied-Komponisten der Zeit machten.

Jahre später, nach einer Odyssee, die ihn über Österreich und Palästina ins amerikanische Exil führen wird, begibt sich Wolpe im Umkreis der »Tribüne«, eines in New York gegründeten Exilverbandes »für freie deutsche Literatur und Kunst in Amerika«, noch einmal in die Gesellschaft der durch das Exil »entthronten Könige« Berthold Viertel und Bertolt Brecht und knüpft mit einigen Konzertliedern an die Berliner Jahre an.

Erst ein Jahr später gelingt es ihm, die Konzertmusik in »Kampfmusik« umzuwerten. In dem in Amerika entstandenen siebensätzigen Battle Piece für Klavier zeigt Wolpe eine radikal erneuerte Kompositionstechnik: Als Reaktion auf die Verwerfungen seiner Zeit bricht er mit tradierten linearen Konzepten musikalischer Gestaltung und arbeitet mit den vertikalen und räumlichen Dimensionen der Musik.

Damit verlässt er die Ebene der einfachen politischen Kampfmusik und öffnet sich einer neuen musikalischen Ästhetik, die nicht nur wegweisend für die Musik seiner Schüler wie u.a. Morton Feldman, Ralph Shapey und David Tudor, sondern für die Musik der Nachkriegszeit überhaupt ist.

Annette Schwarzer

Programm:

[01] 05:06 An Anna Blume für Klavier und Musikal-Clown (Tenor) op. 5/III (1929)
Text: Kurt Schwitters

Aus: Acht Lieder auf Texte von Heine, Ottwalt, Weinert und anderen, op. 12
[02] 03:08 1. Das Lied vom Abbau (1931)
Text: Erich Weinert

Aus: Vier Lieder auf Texte von Lenin, Majakowski und anderen, op. 7
[03] 1:00 1. Eine unterdrückte Klasse (1929)
Text: Lenin

Aus: Massenlieder, op. 17
[04] 01:01 1. Arbeit und Kapital (1932)
Text: Martin Lindt

Aus: Vier Lieder auf Texte von Lenin, Majakowski und anderen, op. 7
[05] 04:39 2. Decret No. 2: An die Armee der Künstler (1929)
Text: Wladimir Majakowski

Aus: Drei Lieder nach Gedichten von Erich Kästner
[06] 03:46 2. Brief eines Dienstmädchens mit Namen Amalie (1929)

Aus: Vier Lieder auf Texte von Lenin, Majakowski und anderen, op. 7
[07] 02:05 3. Was ist „Aufruhr“? (1929)
Text: Weh (?)

Aus: Massenlieder, op. 17
[08] 02:22 7. Haben Sie Kummer (1931)
Text: Siegfried Moos

Aus: Vier Lieder auf Texte von Lenin, Majakowski und anderen, op. 7
[09] 01:01 4. Auch die kleinste Tat (1930)
Text: Hans Eckelt

Aus: Drei Lieder nach Gedichten von Erich Küstner
[10] 01:27 1. Fantasie von Übermorgen (1929)

[11] 02:30 3. Ansprache einer Bardame (1929)

Aus: Acht Lieder auf Texte von Heine, Ottwalt, Weinert und anderen, op. 12
[12] 03:00 6. Wir sind entlassen (1932)
Text: Siegmar Mehring (on Jean-Baptiste Clement)

Drei Lieder nach Bertold Brecht (1943)
[13] 01:57 1. Ballade von den Osseger Witwen

[14] 02:04 2. Der Gottseibeiuns

[15] 02:36 3. Keiner oder alle

Aus: Acht Lieder auf Texte von Heine, Ottwalt, Weinert und anderen, op. 12
[16] 03:10 4. Die Herren der Welt (1931)
Text: Erich Weinert

Aus: Zwei Lieder von Berthold Viertel
[17] 01:27 1. Lebensmüdigkeit (1945)

24:36 Battle Piece (1943–1947)
Encouragements for Piano – First piece, in seven parts

[18] 03:14 I
[19] 04:27 II
[20] 01:58 III
[21] 04:59 IV

[22] 01:42 V
[23] 03:04 VI
[24] 05:12 VII

Gesamtzeit 67:09

Gunnar Brandt-Sigurdsson, Tenor/Vokalist
Johan Bossers, Klavier

Pressestimmen:


05-06/2009

Stefan Wolpe (1902–1972) is one of those significant, fiercely individualistic composers who continue to exert influence, yet also remain underappreciated, in my view. Perhaps one reason for some neglect was his peripatetic life, not only in its trajectory from Germany to Palestine (as then it was called) to the U. S., but also in successive embrace of early-20th-century expressionism, to leftist politically engaged pieces, and finally to a very personal form of serialism (for one thing, his rows could have more or less notes than 12). There’s a whole “second generation” of serialists who made the system very much their own without slipping into academicism—Gerhard, Dallapiccola, early Rochberg, Skalkottas. Wolpe stands as a leader in this uncompromisingly original group.

This disc suggests something of this panorama. It is in two halves: the first, 17 songs from 1929–1945; the second, the immense and astonishing Battle Piece for solo piano of 1943–45. The former run quite a gamut: from “Pierrot” Sprechstimme, to nervous atonal explosions, to lighthearted cabaret, to engaged workers’ songs. The first two tend to be quite dissonant and chromatic, the latter resolutely tonal. While, indeed, the gulf seems unbridgeable here, it actually reflects the seething political aesthetic of Berlin at the time, and is not so different from our own era. Further, one senses a strong individual sensibility at work at all times. I might mistake some of these songs for Eisler or Weill, but that’s just a compliment for how good they are. Wolpe was a superb musician, with a consistent strong vision and great ear. The vast majority of the songs have great “hooks,” and one immediately wants to whistle them afterwards.

The Battle Piece is quite another matter. Clangorous, intense, abrupt in its shifts and juxtapositions, it carves out the territory for Wolpe’s grand final period. I once heard it described as “a radiant violence,” and that works well. One feels in Wolpe that (as in Varèse) one enters a musical space where all the parameters are worked to articulate an ironclad architecture, albeit a mysterious one.

Bossers plays the piano work superbly, but he has almost insuperable double-competition: David Holzman on Bridge (9116), in an all-Wolpe recital, and Marc-André Hamelin on New World (80354). Holzman studied with Wolpe as a youngster, and Hamelin pairs his performance with that of the Bolcom Etudes, which is a powerhouse piece. It doesn’t hurt either that he’s one of the world’s truly great virtuosos. Each is a stunning performance, though quite different.

So if you’re going to get this disc, it should be for the songs. Brandt-Sigurdsson is a knockout performer—perfect intonation, dramatic delivery, enunciation (even I could make out some of the German!), an enviable naturalness of delivery. He can change his tone to fit the style and role so well that at first I thought there were more singers than one.

Though not claimed on the disc, it appears also that these might be all premiere CD recordings of the songs; at the least, there appears to be no overlap with other recordings. But going back to “making out the German,” there’s one glitch—there are no translations, which seems especially sad and unforgivable, since the Wolpe Society is a sponsor, and is based in the U.S.! Since the political/didactic content of many of the songs is so important to our understanding, this seems a real shame; perhaps translations should be put on the society’s Web site, at least—and a notice pasted into future booklets for the disc.

Except for this one omission, though, a great recording, and a portrait of a courageous musical spirit.

Robert Carl

 

Gunnar Brandt and Johan Bossers have dusted off Wolpe’s music of political revolution and aesthetic evolution from 1930s Berlin and demonstrated its relevance for our own era. Mr. Brandt’s resourceful and vigorous voice and Mr. Bossers’ decisive pianism combine in finely detailed and intense readings of the inspired craziness of Schwitters’ An Anna Blume and the revolutionary passion of Mayakovsky’s Decree No. 2, along with ironic marching tunes and bitterly amusing agitprop songs in simpler style.

The CD concludes with the epic Battle Piece for piano that Wolpe composed during the war. Mr. Bossers projects the cyclic, seven-part work with a virtuosity and structural imagination that does full justice to the mind of this most challenging and visionary composer. The CD is a valuable pendant to the stage show Wolpe!, produced by Muziektheater Transparant, in which Mssrs. Bossers and Brandt collaborate with the actress Viviane de Muynck to create an evening that provides a lively context for music that has not lost its power to inspire the struggle for justice and human rights.

Austin Clarkson, Stefan Wolpe Society.

10/08

 

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