Tobias PM Schneid lehrt zwar Musiktheorie an der Würzburger Hochschule, wurde mit internationalen Preisen ausgezeichnet, ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Aber der Habitus des elitären Avantgarde-Komponisten ist ihm fremd. Der einstige Schüler von Heinz Winbeck hat eine unverwechselbare Sprache gefunden. Einem Dogma hat er sich nie unterworfen. Seine Musik ist ein Raum der Freiheit, kennt keine Scheuklappen, nimmt Einflüsse aus Jazz und Rock genauso auf wie die Errungenschaften der Avantgarde. Und sie sucht – wie gerade die Werke auf diesem Album zeigen – immer wieder den Dialog mit der Vergangenheit.
Auf das Terrain der inneren Zerrissenheit wagt sich Schneid im String Quartet No. 3 »Schumann« mit Hilfe von Zitaten insbesondere aus Schumanns Spätwerk, das unter dem Einfluss von dessen psychischer Erkrankung entstand.
Anders als im Schumann-Quartett spielen konkret identifizierbare Zitate im Piano Trio No. 3 »Amadé« nur eine untergeordnete Rolle. Das gedankliche Zentrum bildet hier vielmehr ein Brief, den Mozart 1787 an seinen Vater geschrieben hat.
Im Piano Trio No. 4 »Testament« berührte Schneid einerseits der »Klagegesang über Beethovens schicksalshafte Erkrankung des Gehörs und die damit verbundene gesellschaftliche Isolierung«, andererseits die »Hinweise auf ein hoffendes, dem Schicksal die eigene Daseinsberechtigung abtrotzendes Kraftpotential«. Analog entwickelte sich das (dem Andenken Heinz Winbecks gewidmete) Trio zum »Werk über das Scheitern und den Mut, diesem Scheitern immer wieder einen beherzten Neuanfang entgegenzusetzen«.
Unter den Werken des vorliegenden Albums nimmt das String Trio No. 2 »Pas de Trois« insofern eine Sonderrolle ein, als es als einziges nicht den Dialog mit der Vergangenheit sucht, sondern den Dialog an sich thematisiert. Wenn Goethe das Streichquartett als Ort definiert, an dem »vier vernünftige Leute sich unterhalten«, so ist Schneids Streichtrio der Ort, an dem drei Menschen aneinander vorbeireden.