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William Blank Flow ∙ OPHRYS ∙ Refrain II ∙ (a)round

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Artikelnummer: NEOS 12212 Kategorien: ,
Veröffentlicht am: September 17, 2022

William Blank (*1957)

Infotext:

WERKE VON WILLIAM BLANK
Es liegt in der Natur des Neuen, dass es sich etablierten Kategorien mehr oder weniger entzieht. Sie sind jedoch ein guter Ausgangspunkt, wenn man sich Neuem annähern möchte. So bietet es sich an, die hier erstmals eingespielten, zwischen 2008 und 2019 entstandenen Werke des Schweizer Komponisten William Blank unter kammermusikalischen Aspekten zu betrachten. Obgleich es eine allgemeinverbindliche Definition von Kammermusik nicht gibt, lassen sich gewisse Konstanten ausmachen, die von der Renaissance bis heute gültig sind: Intimität, Privatheit, lebhafte Interaktion solistisch besetzter Instrumente, verdichteter Zusammenklang etc. Das alles ist so universell, dass es irgendwo auch auf die vier Werke dieser CD zutrifft. Was aber sind ihre Besonderheiten?
Obwohl die Formationen mit vier bis acht Mitwirkenden als Solistenensembles konzipiert sind, lassen sie den kompositorischen Anspruch des klanglichen Über-sich-Hinauswachsens erkennen. Eine fast orchestral anmutende Großzügigkeit verströmt diese Musik. Auch die instrumentalen und räumlichen Konfigurationen sind zu unkonventionell, um in Nachbarschaft etwa der kammermusikalischen Königsdisziplin des Streichquartetts, der sich auch William Blank bedient hat, angesiedelt zu sein. Anstatt klangliche Uniformität zu suchen, hebt der Komponist stets die Individualität der einzelnen Instrumente hervor. Die solistischen Ichs können sich voll entfalten, und trotzdem bleiben die großen Bögen gewahrt. Aus diesem vermeintlichen Widerspruch resultiert die expressive Spannkraft der Musik.
Der kompositorische Ansatz ist ungeachtet wiederkehrender Grundzüge in jedem Werk ein gänzlich anderer: In Refrain II nimmt es Blank mit einer ganz und gar Boulezschen Instrumentierung auf, konfiguriert sie neu und distanziert sich vom »Vorbild«, wobei er seiner eigenen Schreibweise treu bleibt. (Die beste Art, einem »Vorgänger« Tribut zu zollen, ist, es anders zu machen.) In Flow, einem Quintettstück, lotet Blank das reiche Potenzial einer simplen Bewegungsfigur aus. Kammermusikalische Intimität kommt noch am ehesten im zweiten Teil von OPHRYS auf. Der Klang der Flöte, so verrät der Komponist, erinnere ihn an eine sich öffnende Orchidee, die trotz ihrer Feingliedrigkeit den Raum durch ihre starke Präsenz und visuelle Intensität prägt. (a)round verdankt seine Anlage dem kreisrunden Dachraum eines Siloturms am Basler Rheinufer, in welchem die Uraufführung stattfand.

Längst nicht mehr nur für die bürgerliche Stube bestimmt, hat sich Kammermusik zur maßgeblichen Experimentiergattung der klassischen Musik der Gegenwart gemausert. Sie steht, so darf man mit Fug und Recht behaupten, im Mittelpunkt der Biografie von William Blank, der seine Laufbahn als Schlagzeuger begann und neben seiner Orchestertätigkeit in diversen originell besetzten Formationen mitwirkte. In seiner jahrzehntelangen Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Lausanne bildet Kammermusik gewissermaßen das Herzstück. Und wenn er zu dieser Gattung kompositorisch etwas beisteuert, dann ist es meist für langjährige Musikerfreunde. Kammermusik hat für ihn nicht nur eine ästhetische Dimension, sondern bezeugt auch einen ethischen Anspruch. Es ist das unentwegte Bemühen, dem menschlichen Miteinander eine Form zu verleihen.
Johannes Knapp

Flow
für Oboe, Trompete, Harfe, Violine und Violoncello (2008)
Jan Vogler gewidmet
Auftrag des Moritzburg Festivals, unterstützt von den Dresdner Musikfestspielen
Das Werk verdankt seinen Titel dem Umstand, dass die zahlreichen musikalischen Episoden ohne Unterbrechung ineinander übergehen und sich geschmeidig und fließend artikulieren. Die fünf überaus eigenständigen Stimmen werden äußerst flexibel behandelt; sie »fließen« mehr, als dass sie aufeinanderprallen – wie Linien, die zusammenkommen und wieder auseinandergehen, bevor sie im letzten Teil des Werkes in einer reichen Polyphonie gipfeln. Die formale Idee, die der Komposition zugrunde liegt, ist eher die einer kontinuierlichen Metamorphose – hinsichtlich Texturen, Klangfarben und Ausdrucksdichte – als die eines konzertanten Diskurses. Einige Stimmen treten jedoch stärker hervor als andere oder präsentieren sich kadenzartig mit kurzen Soli, die als Übergänge zwischen den einzelnen Teilen dienen.

OPHRYS
für Flöte und kleines Ensemble (2019)
Boris Previšić gewidmet
Auftrag der pre-art soloists, unterstützt von der Fondation SUISA
OPHRYS ist als kleines Konzert angelegt und besteht aus zwei ineinander übergehenden Sätzen. Während der erste – eher heftigen Charakters – für die Altflöte bestimmt ist, die technisch bis an ihre äußersten Grenzen getrieben wird, ist der zweite – abwechselnd verträumten und düsteren Charakters – dem Piccolo und der normalen Flöte gewidmet. Innerhalb des Ensembles werden Saxophon, Akkordeon und Kontrabass gemeinsam als eine Art Ripieno behandelt, während die Soloflöte in einen Dialog mit der Oboe oder dem Violoncello tritt, den man als Concertino bezeichnen könnte. Diese Struktur evoziert gelegentlich das barocke Prinzip der Dialektik des Concerto grosso. Die Gegensätze sind jedoch nicht stark ausgeprägt, und die Grenze zwischen Soloinstrument und Ensemble bleibt durchlässig. »Ophrys« ist der Überbegriff mehrerer wilden Orchideenarten.

Refrain II
für verstärkte Harfe, Klavier und zwei Schlagzeuger:innen (2015)
Hommage à Pierre Boulez
Auftrag des Collegium Novum Zürich, unterstützt von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
In diesem Stück erweise ich Referenz auf Pierre Boulez’ sur Incises, ein Mammutwerk für neun Instrumentalist:innen (drei Klaviere, drei Harfen und drei Schlagzeugpartien). Die klangliche Definition dieser einzigartigen Instrumentalverbindung scheint ein für alle Mal durch die geniale Schreibweise von Boulez festgelegt zu sein – insbesondere durch die Art und Weise, wie er mit dem Phänomen der Resonanzen umgeht, sowie durch die phänomenale und fast unübertreffliche Virtuosität, welche nicht zuletzt durch die genau strukturierten Klangfarben eine enorme sogartige Energie projiziert. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass der Blickwinkel, den Boulez einnimmt, von einer Hierarchie beherrscht wird, welche die drei Klaviere als Hauptakteure gleichberechtigt nebeneinander stellt, gefolgt von den Schlaginstrumenten, die gleichsam als Bindeglieder fungieren, und schließlich den Harfen, deren Rolle es ist, die Klangfarben anzureichern und durch ihre vertikale Funktion des akkordischen Spiels die Texturen lebendiger werden zu lassen und sie immer wieder überraschend zu bereichern.
Ich habe mich bei meiner Komposition für die exakte Umkehrung dieser Hierarchie entschieden und die Harfe in der Mitte des Ensembles positioniert. Das Klavier fungiert als Bindeglied und die Schlaginstrumente als natürliche Verstärker der komplexen Harmonien, die aus ihren kombinierten Resonanzen hervorgehen. Ähnlich wie sur Incises, welches auf Elementen von Incises für Klavier beruht, greift Refrain II Material meines Stücks Refrain für Harfe auf, verdichtet es jedoch und lässt es durch den Filter des Schlagzeugs laufen, das demzufolge als »verzerrender Resonator« behandelt wird. Dem temperierten Tonmaterial von Klavier, Harfe, Vibraphon und Marimba füge ich zahlreiche Klänge hinzu, die mehr oder weniger weit von einer eindeutigen Tonhöhe entfernt sind und ein breites akustisches Spektrum besitzen: acht japanische Tempelblöcke, zwei tiefe Bali-Gongs, ein thailändischer Gong, zwei Oktaven Crotales, ein Satz Glocken, drei tiefe Kuhglocken, eine Plattenglocke und ein Tamtam.
Die Idee des »Refrains« ist hier in einem erweiterten Sinne zu verstehen, etwa in der Art eines Rituals, bei welchem die motivischen Elemente nur in den wiederkehrenden Instrumentalgesten erkennbar sind, welche ständig zwischen den vier Instrumenten interagieren. Schließlich spielt die Note B (wie »Boulez«) in dem Werk eine bedeutsame Rolle.

(a)round
für Alt-Saxophon und 7 Instrumente (2017)
»Musik im Siloturm«
Auftrag des Collegium Novum Zürich, unterstützt von der Fondation Nicati-de Luze
Klänge zu schreiben und sie sich im Raum vorzustellen, heißt bisweilen, sich mit einem Ort zu befassen, der eigentlich gar kein Konzertsaal ist: ein zweckentfremdeter Ort, welcher sonst anderweitig genutzt wird und deshalb der Vorstellungskraft noch unberührte akustische Räume und räumliche Gegebenheiten bietet. Das ursprünglich für einen solch speziellen Ort – den kreisrunden Siloturm in Basel – komponierte Werk beruht deswegen auf einer Aufstellung in zwei konzentrischen Kreisen: Das Publikum ist um den ersten Kreis angeordnet, der von sechs Blasinstrumenten und dem Kontrabass gebildet wird und in dessen Mitte sich das Saxophon befindet. Das Saxophon ändert seine Ausrichtung im Laufe der fünf Abschnitte des Stückes, indem es immer wieder in einen Dialog mit einigen der anderen Instrumente des Ensembles tritt: Ruhig (mit der Flöte), Gemäßigt (mit der Trompete), Unbeweglich (mit dem Horn), Lebhaft (mit der Klarinette) und Mäßig / Lebhaft / Ruhig (mit allen Instrumenten und schließlich, eher versteckt, mit der Oboe).
Je nachdem, wo man sitzt, kann man sich auf unterschiedliche Weise mit den Klängen auseinandersetzen; dies in einem sich stets verändernden klanglichen Gleichgewicht, das durch die dynamischen und klangfarblichen Möglichkeiten des Saxophons geprägt ist und durch häufig auftretende Mehrklänge, die den akustischen Raum auf prägnante und durchdringende Weise füllen.

William Blank
Übersetzung aus dem Französischen: Matthias Arter

Programm:

[01] Flow (2008) für Oboe, Trompete, Harfe, Violine und Violoncello 22:30
[02] OPHRYS (2019) for Flöte und kleines Ensemble 16:15
Boris Previšić, Solo-Flöte
[03] Refrain II (2015) für verstärkte Harfe, Klavier und zwei Schlagzeuger 19:19
[04] (a)round (2017) für Altsaxophon und 7 Instrumente 16:12
Sascha Armbruster, Solo-Saxophone

Gesamtspielzeit: 74:16

Collegium Novum Zürich [01, 03, 04]
Susanne Peters, Flöte
Matthias Arter, Oboe
Ernesto Molinari, Klarinette
Sascha Armbruster, Saxophon
Olivier Darbellay, Horn
Jens Bracher, trumpet
Stephen Menotti, Posaune
Manon Pierrehumbert, Harfe
Gilles Grimaître, Klavier
Brian Archinal and Julien Mégroz, Schlagzeug
Rahel Cunz, Violine
Martina Schucan, Violoncello
Aleksander Gabrys, Kontrabass
pre-art soloists [02]
Boris Previšić, Flöte
Matthias Arter, Oboe
Sascha Armbruster, Saxophon
Vladimir Blagojević, Akkordeon
Karolina Öhman, Violoncello
Aleksander Gabrys, Kontrabass
William Blank Dirigent

Ersteinspielungen

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