Magnus Lindberg: Complete Works for Accordion

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Artikelnummer: NEOS 12027 Kategorie:
Veröffentlicht am: Januar 22, 2021

Infotext:

MAGNUS LINDBERG · SÄMTLICHE WERKE FÜR AKKORDEON

Magnus Lindberg ist Orchesterkomponist durch und durch. Die Energie der Masse, ihre physische Entladung und ihre motorischen Möglichkeiten inspirieren den Finnen zu monumentalen Großformen, die ihn zu einem der gefragtesten zeitgenössischen Komponisten avancieren ließen. Begonnen hat er mit dem Akkordeon, das er im Alter von sechs Jahren erlernte und für das er seine ersten Kompositionen skizzierte. Auch wenn er später zum Klavier als Hauptinstrument wechselte, so bleibt er dem Akkordeon doch bis heute verbunden: Die schöpferischen Möglichkeiten, ein mehrstimmig einsetzbares Tasteninstrument durch regulierbare Luftströme in Schwingung zu versetzen, somit dicht wie gleichzeitig organisch spielen zu können, sprechen Lindbergs komplex vielschichtige Denkweise unmittelbar an.

Geboren wurde Magnus Lindberg am 27. Juni 1958 in Helsinki. Er studierte bei Paavo Heininen und Einojuhani Rautavaara – wie dieser lotete er die Grenzen des Serialismus-Denkens vollends aus, um sie später zu durchbrechen – zudem Klavier bei Maija Helasvuo und elektronische Musik bei Osmo Lindemann. Im Elektronikstudio EMS in Stockholm sammelte er wertvolle Erfahrungen, wodurch ihm auch die Möglichkeit gegeben wurde, computerberechnetes Material als Grundlage seiner Werke zu verwenden. In Paris studierte Lindberg weiter bei Gérard Grisey, in Siena bei Franco Donatoni und in Darmstadt bei Brian Ferneyhough. Sein Trieb zu Geschwindigkeit und Dichte – für ihn ein Ausdruck des Zeitgeists – uferte in der Zeit immer weiter aus, bis er schließlich in Kraft (1983–85) mündete, einem überdimensionalen Werk mit zwei Harmonieebenen und bis zu 70 zeitgleich erklingenden Tonhöhen. Vielfach aufgeführt und ausgezeichnet, bedeutete Kraft zugleich einen Wendepunkt, der ihn zu durchsichtigeren, fließenderen Werken verleitete wie Kinetics (1989), Marea (1990) und Joy (1990), Letzteres sogar in langsamer Tempovorzeichnung. Diese Tendenz wiederum gipfelte im Ersten Klavierkonzert (1991), das aufgrund seiner klassischen Anlage und der Nähe zu Ravels G-Dur-Klavierkonzert von Vielen gar als neoklassizistisch angesehen wird. So machte sich Lindberg einen vielseitigen Kosmos zu eigen, zwischen dessen Extrema seine späteren Werke positioniert sind.

Janne Valkeajoki spielt die Werke dieser CD in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Als Kontrast dessen werden sie in diesem Begleittext von den frühen zu den späten hin besprochen, nicht zuletzt um den Prozess von Lindbergs Entwicklung mitzuverfolgen.

Metal Work für Akkordeon und Schlagwerk datierte Lindberg auf den 4. November 1984, es entstammt also derselben Phase wie Kraft. Geschrieben wurde es in Berlin, wo Lindberg Stipendiat des Goethe-Instituts war, uraufgeführt aber in Finnland, in Joensuu am 18. Juni 1985 durch Matti Rantanen und Timothy Ferchen. Der Titel rührt daher, dass das Schlagwerk ausschließlich aus metallischen Instrumenten besteht und auch das Akkordeon die Töne durch federstählerne Stimmzungen erzeugt. Die beiden Mitspieler beginnen nahezu im Einklang und präsentieren jeweils mit für ihre Instrumente charakteristischen Spielweisen die gleiche Idee – eine bei Lindberg häufig anzutreffende Technik, die später auch in Dos Coyotes zu hören sein wird. Schnell aber lösen sich die Instrumente voneinander, driften immer weiter ab, bis sie förmlich gegeneinander spielen. Gegen Ende tritt das Tamtam immer weiter in den Vordergrund, bis schließlich auch der Akkordeonist sein Instrument beiseitelegt und an ein Tamtam tritt. Die beiden Gongs rotieren und bringen so den Raum, quasi in Zeitlosigkeit (senza misura), zum Schwingen – dieses Stück sollte unbedingt mit Kopfhörern oder in guter Stereoqualität erlebt werden.

Wie auch Metal Work wurde Jeux d’anches (1989–90) auf Anregung von Matti Rantanen komponiert, dem das Stück gewidmet wurde und der es am 22. April 1990 in Tampere auch aus der Taufe hob, nur 12 Tage nach Fertigstellung. In Jeux d’anches versuchte sich Lindberg an einer Kombination aus seriellen und spektralen Texturen. Nahezu ohne Pause wird der Akkordeonist durch ein dichtes Tongeflecht gejagt, in durchweg mehrstimmiger Anlage mit unterschiedlichsten Rhythmen, die jedes Gefühl für Taktstruktur verlieren lassen. Die beiden Hände befinden sich in steter Konkurrenz, was einen multiinstrumentalen Klang hervorbringt. In Absprache mit dem Komponisten wechselte Janne Valkeajoki einige Registrierungsangaben, um den Klang noch mehr zu nuancieren.

Dos Coyotes geht auf ein Werk von 1993 zurück, den Coyote Blues für Kammerensemble. Ganz im Zeichen von Strawinskys Les Noces, womit sich Lindberg zur Zeit der Komposition intensiv beschäftigt hat, wollte er ein Werk für Bariton und Ensemble komponieren; die Singstimme fiel allerdings im Lauf der Konzeptionsphase heraus. Für ein Duoprogramm mit dem Cellisten Anssi Karttunen und Lindberg am Klavier arrangierten die Musiker das Werk 2002 für ihre Besetzung, wobei sie das Material stellenweise äußerst frei behandelten – diese Version führten sie am 12. März 2002 erstmals auf. Janne Valkeajoki arbeitete die Klavierstimme in Zusammenarbeit mit dem Komponisten für das Akkordeon um. Dos Coyotes besteht aus vier Sätzen, von denen jeweils zwei direkt ineinander übergehen, lediglich nach dem zweiten Satz vernimmt man einen deutlichen Einschnitt. Das Material wirkt deutlich geklärter als das der früheren Werke, das Zusammenspiel der Partner mitvollziehbar. So entsteht ein luzider Klang in einer Tonsprache zwischen Strawinsky und Eliasson (v. a. Ostácoli), Finnland und Westernmusik. Die ursprüngliche Idee einer Singstimme als Melodieträger schlägt sich oftmals nieder durch entsprechenden Ambitus, Vokaleffekte wie Glissandi und Melismen sowie Hoquetus-Passagen, die das Zusammenspiel prägen.

Mit den Jubilees (2000) überwand Magnus Lindberg seine Hemmungen gegenüber der kleinen Form. In ihrer ursprünglichen Fassung waren die sechs Stücke für Klavier konzipiert, von denen das erste von der Royal Festival Hall in Auftrag gegeben wurde, als einer von zwölf Beiträgen anlässlich des 75. Geburtstags von Pierre Boulez. In ihrer Ganzheit durchschreiten die Jubilees einen allmählichen Prozess, klären sich immer weiter auf, bis die einzelnen musikalischen Elemente in ihrer Reinform durchbrechen. Das Eröffnungsstück erscheint noch recht komplex (wenngleich wesentlich luzider als beispielsweise Jeux d’anches), der zweite Satz kommt bereits kürzer daher und weist weniger rhythmische Konflikte auf, Nummer drei ist stellenweise gar einstimmig und allgemeinhin leicht zu verstehen. Im vierten Stück bricht die Harmonie strahlend rein hervor, und das fünfte Jubilee zelebriert die Melodielinie mit einem Minimum an Begleitung. Das Finale schließlich präsentiert die Harmonie nahezu ohne melodisches Beiwerk, bevor der Zyklus mit nur einem einzigen lang angehaltenen Ton verklingt. Trotz der Unterschiedlichkeit der Texturen und angewandten Kompositionstechniken entsteht ein übergreifender Bogen, der die Stücke zusammenhält und eine homogene Einheit bildet. 2003 orchestrierte Lindberg die Jubilees mit leichten Änderungen, benannte die Klavierversion im Rahmen dessen um in Piano Jubilees. Mit Blick auf beide vorhandene Fassungen arrangierte Janne Valkeajoki gemeinsam mit dem Komponisten die sechs Stücke für das Akkordeon; in dieser nun dritten Version erschienen sie unter dem Namen Accordion Jubilees (2003 / 2018) erschienen sind und wurden auf dieser CD erstmals eingespielt.

Oliver Fraenzke

 

Ich freue mich sehr, dass Janne Valkeajokis virtuose Aufführungen meiner Werke auf dieser CD erscheinen. Es ist ihm gelungen, Piano Jubilees und Dos Coyotes hervorragend für sein Instrument zu adaptieren. Janne ist zuallererst ein erstaunlicher Akkordeonist. Er ist ein Meister dieses Instruments, das für mich mit so vielen nostalgischen Erinnerungen verbunden ist – habe ich damit doch selbst als Kind angefangen, Musik zu machen. (Sogar meine ersten Kompositionen im Alter von acht Jahren waren für das Akkordeon.)

Mit seinem doppelten Talent als ausführender Musiker und als Dirigent versteht es Janne in besonderer Weise, aus scheinbar einfachen Stücken das Beste herauszuholen, wenn er sie für andere Besetzungen umschreibt. Er erweckt die Musik zum Leben, weil er versteht, wie man mutig ins Werk eingreifen muss, damit es erhalten bleibt – oder sogar besser wird. Wie könnte ich dafür nicht dankbar sein. Genießen Sie bitte!

Magnus Lindberg
Übersetzung aus dem Englischen: Markus Elsner

Programm:

Magnus Lindberg (*1958)

Accordion Jubilees für Solo Akkordeon (2003/2018) 16:27
Version für Akkordeon: Janne Valkeajoki & Magnus Lindberg
Ersteinspielung

[01] Jubilee I 03:21
[02] Jubilee II 02:22
[03] Jubilee III 01:09
[04] Jubilee IV 03:19
[05] Jubilee V 01:14
[06] Jubilee VI 05:02

Dos Coyotes für Violoncello und Akkordeon (2002/2019) 12:55
Version  für Violoncello und Akkordeon: Janne Valkeajoki & Magnus Lindberg
(basierend auf der Version für Violoncello und Klavier von Anssi Karttunen & Magnus Lindberg)
Ersteinspielung

[07] I 05:47
[08] II 01:47
[09] III 04:06
[10] IV 01:15

[11] Jeux d’anches für Solo Akkordeon (1990) 08:08

[12] Metal Work für Schlagzeug und Akkordeon (1984) 14:37

 

Gesamtspielzeit: 52:37

Janne Valkeajoki, Akkordeon
Tomas Nuñez, Violoncello
Jerry Piipponen, Schlagzeug

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