Wir trauern um Wolfgang Rihm

Wir trauern um einen Menschen und Meister, welcher wie kaum jemand in seiner Generation fast verlorene Errungenschaften deutscher wie europäischer Kultur in sich verkörperte und in Töne zu setzen wusste, deren Sprengkraft bis heute nachhallt. Gegen den Strom schwimmend verantwortete er einen Tonsatz, der wieder das Sentiment in der Musik betonte und damit den adornitischen sedimentierten Geist im besten Sinne des Wortes aufhob.

Das sogenannte Neue Einfache war bei ihm neu, aber nicht einfach. Es ging ihm neben dem musikalischen Sinn und Gehalt immer auch um den Hintersinn, sei es beim vermeintlich naiv daherkommenden LÄNDLER oder bei der fast bruitistischen HAMLETMASCHINE. Die Frage nach Sein oder Nichtsein beantwortete er musikalisch, da Musik für ihn geradezu existentielle Bedeutung hatte.

Dabei blieb er immer offen für das Andere und das Fremde, sei es die live-elektronische Musik seines Freundes Luigi Nono oder die Musik der Next Generation, die er in verschiedenen Institutionen wie dem SWR Experimentalstudio oder der Siemens Musikstiftung zu fördern versuchte. Auf der Suche nach Stimmigkeiten war er frei von Moden, Ideologien oder gar identitären Kriterien.

Da er in und mit seiner Musik hoffentlich noch lange fortleben wird, wird er uns jetzt besonders als sprachgewaltiger Freigeist der Musikkultur fehlen, gerade heute ein fataler Verlust. 

Und ich persönlich werde seine freundschaftlichen Ratschläge wie Bonmots vermissen…


We mourn the loss of a remarkable man and master, who embodied the almost lost achievements of German and European culture like few others of his generation. He knew how to set these achievements to music, with an explosive force that still reverberates today. Swimming against the tide, he pioneered a style of composition that re-emphasised sentiment in music, effectively abolishing the Adornite sedimented spirit in the best sense of the word.

The so-called NEUE EINFACHHEIT was indeed new, but in his case, never simple. Beyond musical sense and content, he always sought the underlying meaning, whether in the supposedly naïve LÄNDLER or the almost bruitistic HAMLETMASCHINE. He answered the question of „to be or not to be“ through his music, which held an almost existential meaning for him.

He remained open to the different and the strange, embracing live electronic music from his friend Luigi Nono, and promoting the music of the Next Generation through various institutions such as the SWR Experimentalstudio and the Siemens Music Foundation. In his search for coherence, he was free from fashions, ideologies, or identitarian criteria.

As he hopefully lives on through his music for a long time to come, we will miss him as an eloquent freethinker of musical culture—a fatal loss, especially today.

And I personally will miss his friendly advice and bon mots…

Detlef Heusinger

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